Derzeit zirkuliert eine Mail durch die gesamte Autoindustrie inkl. der Zulieferer, die ihren Ursprung offenbar am 14. Juli 2009 um 14:36 bei BMW hatte. Darin beklagt sich eine Mitarbeiterin bitterlich beim BMW-Entwicklungschef Klaus Draeger über die Kleiderordnung mancher Mitarbeiter im "FIZ" - dem Forschungs- und Innovationszentrum von BMW. Für die (zum Teil internationalen) Gäste, die sie durch's Haus führe, seien Badelatschen und T-Shirts mit teilweise arg explizitem Aufdruck nicht angemessen. Der interessante Aspekt an der Mail ist weniger der Originaltext (siehe unten, auf den Inhalt gingen in den vergangenen Tagen auch deutsche Zeitungen ein), als vielmehr der Umstand, dass man dem Verteiler entnehmen kann, wie enorm vernetzt die deutsche Autoindustrie ist.
Die Verteilerkette, die ich der Mail entehmen kann, welche ich selbst heute erhalten habe, ist recht beeindruckend: der dritte Versender der Nachricht ist bereits nicht mehr bei BMW, sondern bei Audi. Er leitet die Sache mit dem trockenen Kommentar "was mit einem mail passiert, weiß man nie genau!" weiter. Woher er sie hat, kann man nicht sehen, das hat er offenbar weggelöscht. Von Audi führt dann der Weg über Bosch zu Daimler (wo sie auch mit "Davon können wir uns einiges abschneiden!" kommentiert und immer wieder weitergeleitet wird), weiter an verschiedene Zulieferer (genannt werden Magna, Faurecia und Hella & Cooper, ohne dass man es direkt nachvollziehen kann) und zu Ford, über mehrere Stufen dort weiter zu Opel, wieder mit mehreren Verteilerpunkten weiter zur IAV GmbH und Visteon und dann zu VW nach Wolfsburg, und weiter zur AVL Schrick GmbH. Überall fühlen sich Leute animiert, explizit zu kommentieren, dass sie die Verbreitung dieser Mail auch gern 'unterstützen' wollen. Vor allem aber kommentieren immer wieder Leser und Sender in der Mail, dass sie staunen, wie so eine Mail auf die Reise gehen kann. Folgenreicher ist dann vielleicht noch, dass manch ein Empfänger die Mail dann nicht nur weiterleitet, sondern sie komplett mit der gesamten Verteilerhistorie auf seinem Blog bereitstellt (natürlich wird hier die Kette am oberen Ende etwas anders als bei der, die ich empfangen habe).
Wer also ein interessantes Thema hat, das er der gesamten Automobilbranche auf kosteneffiziente Weise vermitteln will, kann durchaus auch an virale Ansätze denken - wenn sie relevant gestaltet sind und einen Nerv treffen, könnte man damit vermutlich sehr gezielt viele Leute erreichen.
Folgend der Text so, wie er in der Mail, die ich erhalten habe, ganz unten drinsteht.
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Sehr geehrter Herr Dr. Draeger,
seit Jahren beobachte ich mit wachsendem Unmut den zunehmenden Trend vieler Mitarbeiter, in ungepflegter Freizeit- oder gar Strandbekleidung zur Arbeit im FIZ zu erscheinen - und das nicht nur am Freitag.
Ich erwarte von Entwicklungsingenieuren und Kollegen ohne Außenkontakte und sofern sie im Werkstattbereich tätig sind, keinen dunklen Anzug mit Krawatte, aber lange Hosen und ein gebügeltes Hemd, und Herren in abgeschnittenen Hosen und Flipflops sind für mich Ausdruck der Missachtung des Arbeitgebers, deren Repräsentanten sie sind. Unsere Premium-Platzierung, die wir unseren Kunden nicht nur durch unsere exzellenten Produkte vermitteln, muss sich auch im Auftreten eines jeden Mitarbeiters widerspiegeln.
Bei meinen Führungen durch das FIZ setze ich alles daran, BMW in bestem Licht erscheinen zu lassen und vermeide, dass auch nur das kleinste Staubkörnchen am Premium-Image unseres Unternehmens kratzt, und dann bringt mich ausgerechnet die Kleiderordnung in die Bredouille.
Den Gästen - wir führen im Jahr ca. 5000 Besucher durch das FIZ - fällt der legere Auftritt unserer Mitarbeiter nämlich sehr wohl unangenehm auf und sie quittieren ihn mit der Bemerkung, dass es bei uns aber locker zuginge, was man bei dem Image, das wir uns geben, nicht erwarte.
Welcher Eindruck, den wir als global player ja auch bei Angehörigen anderer Kulturkreise und Glaubensrichtungen hinterlassen, die - alle Multiplikatoren - ihre Beobachtungen in der Welt verbreiten!
Der Grund, warum ich mich heute an Sie wende, ist mein gestriges ein Erlebnis, welches das Fass zum Überlaufen brachte: Ein Mann mittleren Alters ging während der Betriebsversammlung mit stolzgeschwellter Brust die Magistrale entlang, gewandet in ein T-Shirt mit der Aufschrift - ich zitiere wörtlich: "Daaden Sie eventuell mit mir vö...". Und ich stellte mir so vor, wie ich mit Staatsgästen oder, auch besonders pikant, mit Herrn von Kuenheim, der sich schon über nicht geputzte Schuhe echauffieren konnte, unsere heiligen Hallen entlang ginge, und eine derartige Gestalt liefe uns über den Weg. Nicht auszudenken!
Es wäre mir ein großes Anliegen, wenn ein Wort aus Ihrem berufenen Munde Ihre Bereichsleiter dahingehend sensibilisieren könnte, von ihren Mitarbeitern ein gewisses Bekleidungsniveau einzufordern. Ein Blick in die Brand Behaviour Basics wäre z. B. hilfreich.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen,
ZYX
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