Wer sich für Mundpropaganda im professionellen Marketingkontext interessiert, sollte auf jeden Fall das Blog von Dr. Walter Carl (Northeastern University, Advisory Board Member bei WOMMA) im Auge behalten. Er ist ein bekannter Forscher in diesem Bereich und schreibt immer wieder ausführlich und durchdacht über "Word of Mouth". Ich habe in der Vergangenheit sicher nicht genug auf seine Inhalte verlinkt, darum will ich das hiermit ein wenig nachholen, anhand der folgenden drei Postings.
In "Viral Marketing for the Real World..." geht es um einen neuen Text von Duncan Watts, Jonah Peretti und Michael Frumin (Download). Die Autoren schreiben darüber, dass es wenig Sinn hat anzunehmen, man könne mit einer viralen Kampagne Erfolg haben, wenn man einfach nur darauf hofft, dass das entsprechende Werbemittel sich - nach Aussenden an eine kleine Gruppe von Leuten - wie das sprichwörtliche Lauffeuer weiterverbreitet. Sie empfehlen vielmehr, bereits zum Start mit einer möglichst großen Zahl von Empfängern anzufangen, damit auf diese Weise selbst dann, wenn der Film sich nicht besonders gut verbreitet, noch nützliche Effekte entstehen. Also letztlich eine Kombination aus einer eher massenmedialen Denke und sich daran anschließenden viralen Effekten. (Das ist auch genau das, was GoViral in ihren Präsentationen empfehlen, wie beispielsweise in der, die ich neulich in Amsterdam miterlebt habe.) Mein Lieblingssatz in dem Paper: "Viral marketing, however, is much easier to tell stories about than to implement." Mit anderen - meinen - Worten: lustige Geschichten über Viral Marketing zu erzählen ist deutlich einfacher, als Viral Marketing tatsächlich hinzubekommen. Daher empfehlen sie, am Anfang auf Masse zu gehen. Sie nennen das "Big Seed Marketing".
Walter diskutiert das Paper eher positiv, hat aber auch Kritikpunkte: Erstens, er findet, dass Virale Werbeansätze hier mit Influencer-Marketingansätzen vermischt werden. Das sehe ich nicht ganz so, letztlich klammern sie das Thema "Influentials" aus, was ich legitim finde. Zweitens, er fürchtet, dass manchen Unternehmen dadurch suggeriert werden könnte, dass sich der professionelle Umgang mit Mundpropaganda im Web darauf beschränkt, Filme mit der Gießkanne zu verteilen. Das sehe ich ähnlich - daher mein wiederholter Versuch darauf hinzuweisen, dass Mundpropaganda Marketing mehr sein muss als lustige Filme (PDF). (Der dritte Kritikpunkt ist eher technischer Art, das spare ich mir hier mal.)
Aus meiner Sicht ist sowohl an dem Ausgangsartikel als auch an dem Posting interessant, dass in den USA offenbar dieselben Themen diskutiert werden, die mich hier u. a. auch beschäftigen - wie unterscheidet man sauber zwischen viraler Werbung und anderen Ansätzen, und was muss man tun, damit ein viraler Film nicht auf YouTube versauert.
Der zweite Text, auf den ich gern hinweisen würde - "More Trouble for the Net Promoter Score? ..." - stellt eine Studie von Keiningham, Cooil, Andreassen und Aksoy (Download) vor, welche die (Reichheld-Selbstvermarktungs-)These bestreitet, dass der NPS anderen WOM-Mafo-Methoden überlegen sei. Leider komme ich derzeit nicht dazu, mich intensiv mit der Studie auseinander zu setzen (das muss noch ein, zwei Monate warten), aber nach einem kurzen Überfliegen komme ich momentan erstmal zu dem Schluss, dass das aus meiner Sicht kaum eine Rolle spielt. Denn die Forscher, die erklären, dass NPS nicht besser sei als andere Methoden, scheinen nur oberflächlich auf andere Methoden zu setzen und diese als vergleichbar darzustellen. In Wirklichkeit aber vergleichen sie den NPS offenbar mit einer anderen sehr sehr ähnlichen Methode und kommen zu dem Ergebnis, dass dabei ähnliche Antworten herauskommen. Das stellt meines Erachtens den NPS nicht in Frage, sondern unterstützt ihn eher. (Wie gesagt, dazu eventuell demnächst eine qualifiziertere Meinung, wenn ich zum Lesen gekommen bin.)
Und abschließend noch ein Verweis auf ein Interview über seine Arbeit im Word-of-Mouth-Bereich und wie Walter dazu gekommen ist.
Wie gesagt - wer über Forschung zu Word of Mouth Marketing auf dem Laufenden sein möchte, der sollte das Blog im Auge behalten. (Keine Sorge, werde nicht für diese Empfehlungen bezaht. ;-) Ich hatte nur das Gefühl, dass das Blog hier bisher nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die es verdient.)
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