Neulich sprach ich bei einer Konferenz in München über unser Arbeit. Ich habe dabei auch davon berichtet, dass die überwältigende Mehrheit der Konsumenten in unseren Kampagnen (zumindest hierzulande) ganz überwiegend Offline-Gespräche führt. Die Mundpropaganda im Netz macht dagegen bislang einen sehr kleinen Teil der Kommunikation aus. Und das selbst bei den Leuten auf unseren Plattformen, die überwiegend sehr online-affin sind.
In der ersten Reihe saß ein Social-Media-Berater. Der meldete sich am Ende meines Vortrages und erklärte, dass doch nun die Kommunikationsrevolution angebrochen sei und dass ich doch nicht in Abrede stellen könne, dass die Menschen nun massiv ihre Mundpropaganda-Tätigkeit ins Netz verlagerten. Meine Antwort: "Doch, das kann ich in Abrede stellen, denn ich weiß es besser."
Allein, weil sich alle Berater, Werber und "Kommunikationsexperten" in diesem Land gegenseitig immer wieder versichern, wie wichtig die Kommunikation in den sozialen Netzen für die Marken sei, heißt das noch nicht, dass sich diese Prophezeiung auch notwendigerweise wirklich selbst erfüllt.
Die Angst vor den Gesprächen der Konsumenten auf Blogs & Co. ist ein einträgliches Beratergeschäft. Man kann mit Case Studies à la United Breaks Guitars und anderen Schauergeschichten fein Furcht erzeugen, die auszutreiben gutes Geld kostet. Aber die Wahrheit sieht häufig (noch) anders aus.
Genau das haben wir mit unserem zweiten Mundpropaganda Monitor wieder festgestellt. Wir wollten in unserer Befragung wissen, an welche Mundpropaganda sich die Menschen wirklich erinnern. Und dabei kam heraus, dass die digitale Mundpropaganda nur einen ganz kleinen Teil der erinnerten Verbrauchermeinungen von den 20.000 Befragten ausmacht: nur 4,6% der Befragten erinnerten sich bei der Frage an ihr letzten derartiges Erlebnis an Mundpropaganda aus dem Social Web.
Dabei wollen wir überhaupt nicht sagen, dass das Social Web für das Marketing irrelevant ist. Ganz im Gegenteil, man kann phantastische Dinge damit machen, weil es zum ersten Mal erlaubt, sinnstiftende Interaktion mit Konsumenten, Kunden und Fans hochzuskalieren. In einer Weise, die dem Marketing spannende neue Möglichkeiten eröffnet. Wer sich diesen Möglichkeiten verweigert, macht einen großen Fehler. Aber was es noch viel zu häufig zu beobachten gibt, ist die Angst und die Angstmache vor der "unkontrollierten Mundpropaganda, die sich im Internet ausbreitet". Entwarnung: sie tut's kaum, und wenn sie es tut, wird sie viel weniger wahrgenommen als die Offline-Mundpropaganda.
(Natürlich sollte man hier zwischen unterschiedlichen Produktgattungen und -kategorien differenzieren, bei teuren und erklärungsbedürftigen Produkten wird Mundpropaganda im Netz deutlich stärker nachgefragt. Da kann es hin und wieder durchaus sinnvoll sein, auf das zu achten, was bei Ciao, Amazon & Co so steht, weil Leute danach suchen. Aber die viralen Epidemien gibt's auch da nicht.)
Die Erklärung dafür ist so banal wie sie einfach ist: wir als Menschen sind seit Jahrtausenden darauf gepolt, unserem Umfeld von unseren Kauf- und Konsumentscheidungen zu erzählen, das passiert ganz von selbst, intuitiv und automatisch. Aber dass wir darüber twittern, facebooken, bloggen etc. passiert nur bei den Freaks intuitiv und automatisch, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Alle anderen unterhalten sich einfach gern. Wer mich jetzt auf das Problem hinweist, das Nestlé neulich mit Greenpeace hatte, der hat Ursache und Wirkung nicht verstanden: sich mit Greenpeace anzulegen, war schon immer gefährlich, ganz egal, ob man Brent Spar versenken wollte (ein Desaster ganz ohne Social Web) oder die falschen Zutaten in seinen Kitkat-Riegel kippt. PR-Unfälle dieser Art werden durch das Social Web vielleicht noch schlimmer, aber sowas schafft Greenpeace notfalls auch auf anderen Kanälen.
So ist und bleibt unsere Empfehlung: arbeiten Sie mit dem Social Web so viel Sie können, sammeln Sie Ihre Erfahrungen - denn bislang noch können Sie das relativ gefahrlos. Und lassen Sie sich nicht von Schauergeschichten ins Boxhorn jagen. Der United Breaks Guitars Case stammt aus den USA, nicht von hier, und dort gelten andere Regeln. Zudem: ob die Geschichte der Fluggesellschaft in der Tat Absatzeinbußen gebracht hat, ist darüber hinaus völlig unklar. Erst wenn Sie in der Kneipe erleben, dass Ihre Freunde aus der normalen Welt Dinge sagen wie "Mann, hast Du den Megafail von [Unternehmen XY] auf twitter schon gefacebooked?!", wird es an der Zeit, sich vielleicht auch über digital-virale Epidemien Gedanken zu machen. Aber noch ist es nicht so weit.
Hier die Pressemeldung zu unserer Studie.
Hier nochmal die Download-Seite. Und hier der Direkt-Link auf das PDF.
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