Hin und wieder fragen sich Marketingleute derzeit, ob es nicht sinnvoll wäre, die eigene Markenwebsite einfach abzuschalten und die ganze Sache komplett auf Facebook zu verlagern.
Bemühen wir zunächst für eine Markenwebsite einen Vergleich - und zwar mit dem Getränkehandel. Nehmen wir zuerst die klassische statische Markenseite, die keinerlei Interaktion bietet, aber ihre Informationen bereitwillig zur Verfügung stellt. In unserem Vergleich wäre das Gegenstück beim Getränkehandel der Getränkeautomat. Man kann am Getränkeautomaten mit niemandem reden, es gibt keinen Menschen auf der anderen Seite, aber das Ding ist Tag und Nacht geöffnet und stellt seine Inhalte bereitwillig zur Verfügung.
(Dass man für Informationen auf Websites gemeinhin nicht bezahlt, für Getränke am Automaten aber schon, sei hier mal außer Acht gelassen - die Bezahlung ist für diesen Vergleich unwichtig.)
Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und stellen uns ein Marken- oder Corporate Blog vor. Wenn es gut gemacht ist, bedeutet es kommunikativ den Schritt vom unpersönlichen Getränkeautomaten zur eigenen Kneipe. Im Blog gibt's auch Informationen, da kann man auch den Kram bekommen, den man haben will. Aber jetzt sitzt jemand hinter dem Tresen und redet mit mir, wenn ich eine Frage habe, erzählt Geschichten aus dem Alltag und steht insgesamt als Mensch zur Verfügung.
Und welche Rolle hat nun Facebook? Ganz einfach: Facebook ist eine ganz andere, extrem erfolgreiche Kneipe. Die größte der Welt. 500 Millionen Menschen gehen aus und ein. Natürlich kann ich jetzt, wenn ich meine Getränke bekannt machen und vertreiben will, in der Riesenkneipe einen Tisch mit meinen Wimpeln schmücken und dort auch meine Getränke ausschenken lassen. Gute Idee.
Aber deswegen soll ich meine eigene Kneipe schließen? Was ist denn, wenn der Wirt bei Facebook irgendwann mal keinen Bock mehr auf mich hat? Was ist, wenn er von heute auf morgen die Regeln ändert, und ich überhaupt nicht mehr rein darf? Was ist, wenn er mir einen Tisch direkt am Klo anweist, an dem es meine Kundschaft kaum noch aushält? Mir erscheint der Gedanke arg riskant, allein auf einen etwas durchgeknallten Kneipenwirt aus Kalifornien bei der eigenen Markenkommunikation im Internet zu setzen.
Ich glaube, dass die Aufgabe, die man sich stellen sollte, eine andere ist: man sollte sich mit seiner Marke in die Kneipe Facebook setzen und Leute kennenlernen. Gute Gespräche führen. Den Menschen dort zeigen, dass man ein prima Typ ist. Mitmachen, und hin und wieder durchaus auch mal auf die eigenen Getränke hinweisen. Nicht nervig, sondern nett. Bißchen was anbieten. Und wenn man das auf vernünftige Weise macht - jeder Mensch erzählt hin und wieder von seiner Arbeit und von den Dingen, die ihn täglich so beschäftigen - dann gibt es immer mehr Menschen, die in der großen Kneipe Facebook denken: "Guck mal die da, die sind cool drauf. Setz' Dich mal bei denen an den Tisch. Die sind lustig!"
Und wenn man schon Leute an seinem Tisch sitzen hat, dann kann man denen durchaus auch mal sagen, dass man selbst auch eine Kneipe betreibt. "Ja ja, wir haben selbst eine Laden. Hier gleich um die Ecke." "Ach nee, echt? Und wie isses da?" "Bei uns ist's schön, kommt doch mal vorbei. Morgen machen wir ein Special für unsere Stammgäste, mit Live-Musik. Ihr seid auch eingeladen!"
Und schon kommen die guten Freunde von Facebook bei der Marke auf dem Blog vorbei, gucken rein und stellen fest, dass es da wirklich ganz nett ist. Natürlich nicht so groß wie bei Facebook, aber kleiner und intimer, man ist unter sich und kann nette Gespräche führen und die Leute vom Unternehmen wirklich kennenlernen. Und andersrum auch - das Unternehmen lernt die Leute, die Fans, die Freunde des Hauses, richtig kennen. Besser als das bei Facebook geht - man sammelt eigenen Daten und kann so viel besser mit seinen Kunden und Fans reden. Sie zu Multiplikatoren und echten Markenbotschaftern machen. Und damit auf ganz andere Art und Weise Marketing organisieren.
Facebook ist eine riesige Kneipe. Da sollte man als Marke hingehen und sich aufhalten, Leute kennenlernen, Freundschaften schließen. Aber zu glauben, dass man dort sein Zuhause findet, halte ich für gefährlich. Denn dann liegt man irgendwann besoffen unter dem Tisch - wie das so ist bei Leuten, die in Kneipen "wohnen".