Vor einigen Tagen habe ich die These getwittert, dass Community eine Einstellung ist - und keine Technik, keine Lösung, kein Ansatz. Ich will hier nochmal kurz erläutern, wie das gemeint war.
Der Text von Robert Miles über Veränderungen, die ein Journalist an seinem Selbstverständnis vornehmen muss, wenn er von Print auf Online umstellt, hat mich wirklich begeistert. Und er hat auch den obigen Satz motiviert. Miles erläutert, dass ein Journalist, der mit dem Bloggen beginnt, verstehen muss, dass sich seine Aufgabe ändert. Wer für die Zeitung schreibt, bekommt sein Publikum gleichsam frei Haus geliefert - der Zugang zu tausenden Lesern liegt nicht an seiner Schreibe. Er entsteht aus einem komplexen Gebilde an Interessen und Motivationen, die dazu führen, dass ein Mensch eine Zeitung liest. Es mag den einen oder anderen Kommentator geben, dessen Texte der Leser gern liest. Aber insgesamt kauft er doch die Zeitung als Institution.
Im Web ist das anders. Im Web muss der einzelne, der schreibt, die Fähigkeit haben, eine Gemeinde um sich zu versammeln. An Robert Basic konnte man das sehen, als er noch auf Basic Thinking gebloggt hat. Er hat polarisiert, begeistert, getippfehlert, unterstützt, ignoriert, gehypt und dabei ebenso Banalitäten verbreitet wie feine Analysen geliefert, immer wieder Meinung gebildet, manche Themen verschlafen und dafür andere groß gemacht. Die Leser, die ihm treu waren, mochten seine Art und vor allem die Interaktion, die mit ihm in Kommentaren und allgemein über das Blog möglich war. Und so wurde er für eine Weile lang zum möglicherweise reichweitenstärksten Blogger in Deutschland.
Was er hatte, war eine Community - eine Gruppe von Lesern, die an seinen Themen Anteil nehmen, Identifikation verspürten, die Themen auf ihren Blogs weitertrugen, und mit ihm und miteinander interagiert haben. So ist's bei den meisten "großen" Blogs in Deutschland.
Und damit sollte schon klar sein, was ich meine: eine Community entsteht nicht, weil man eine Community-Software verwendet, oder bei Ning eine einrichtet, oder weil man Profile für Mitglieder hat, die "Freunde" voneinander werden und sich vernetzen können. Eine Community entsteht auch nicht, weil irgendeine Online-Agentur eine Kampagne mit einem "Community-Ansatz" vorschlägt, den die Marke dann nur zu beauftragen braucht. Eine Community entsteht, wenn es irgendwo Menschen gibt, die sich mit einer Sache (oder mehreren Sachen) intensiv auseinandersetzen, dazu Meinungen, Gedanken, Ideen, Anregungen produzieren, die wahrgenommen werden - von einer stetig steigenden Anzahl Menschen. Diese wiederum gewinnen andere dafür. Und so wächst der Kreis an Leuten, die interagieren, einander zuhören, sich widersprechen, streiten, sich kennenlernen ... alles im Umkreis der ersten Menschen, die mit ihrer Einstellung und Haltung dieser Gruppe ein gedankliches Zuhause geben.
Man kann eine Community gründen, indem man einen kleinen Laden in der Stadt mietet und dort ein solches Zuhause für Gedanken und Ideen schafft. Man kann eine Community gründen, indem man zu einem Thema bloggt. Man kann eine Community gründen, indem man auf DaWanda bestimmte Dinge verkauft. Eine Community entsteht aber nicht, wenn man zu einer Agentur geht und sagt "Machen Sie uns mal eine Community zu unserem neuen Turnschuh." Das geht garantiert in die Hose.
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