Kennen Sie den verhaltenswissenschaftlichen Ansatz? Er nimmt an, dass man Verhalten verstehen lernt, indem man einem Lebewesen einen Stimulus versetzt. Darauf produziert es eine Reaktion, die man beobachten kann. Wenn man verschiedene Stimuli testet und das Lebewesen und seine Reaktionen sorgfältig beobachtet, lernt man, wie das Tierchen tickt. Kommt Ihnen bekannt vor? Genau – nach dieser Methode wurde jahrzehntelang Werbung organisiert: man setzte Stimuli und versuchte zu verstehen, wann der Marketingerfolg eintritt: "Schweinebauch bringt Absatz!", "Emotionalisierung verbessert das Image!", "Der Banner muss größer sein, dann gibt’s mehr Klicks!" Immer wieder: Stimulus und Reaktion der anonymen Masse.
Die Zukunft wird anders sein. Die Stimuli sind abgenutzt, die Zugangswege verstopft, und vor allem: die Laborratten begreifen, dass sie verhaltenswissenschaftlich gelenkt werden sollen. Sie zerpflücken die Werbebotschaften, informieren sich lieber gegenseitig über gute und schlechte Produkte und Leistungen. Nicht allein im Gespräch, sondern zunehmend mit ausgefeilten Webplattformen. Und die Marketingleute sitzen mitten drin, sind selber Ratten, können nicht mehr die allmächtigen Steuerknöpfe drücken. Es bleibt nur eine Möglichkeit: einsteigen in das Gespräch, teilnehmen am Austausch, Interaktion ernst nehmen.
2020 sind die Marketingabteilungen abgeschafft. Jeder Mitarbeiter des Unternehmens ist ehrliche authentische Kontakt- und Schnittstelle nach außen – online wie offline. Und im Marketing gibt es keine Laborratten mehr. Sondern nur noch Menschen.
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Dieser Text ist vor einigen Tagen unter einem etwas anderen Titel bei W&V Online veröffentlicht worden (noch ohne Links, die habe ich hier jetzt erst hinzugefügt), und er wird außerdem im Buch WertZeichen als Diskussionsbeitrag veröffentlicht. Gesetztes Thema war: Visionen und Erwartungen an die Kommunikation 2020.