Die Kollegen von Tribal DDB in Hamburg haben eine neue Studie erstellt, die sich um "Closed User Groups" dreht. Dazu folgend ein Gastbeitrag von Patrick Wassel, Senior Consultant bei Tribal DDB Hamburg, spezialisiert auf die Bereiche Social Media Marketing und Kundenbeziehungsmanagement:
Kundenbindung ist branchenweit nach wie vor ganz oben auf der Agenda der Marketer. In den letzten zehn Jahren galten insbesondere Kundenkarten und CRM als „Tools“, um die Kunden bei der Stange zu halten und die Umätze zu erhöhen. Auf Basis der gesammelten Kundendaten wurde Direktmarketing betrieben. Die Marke hat immer wieder Impulse gesetzt, der Kunde hat reagiert. Das läuft heute nicht mehr, zumindest nicht mehr ausschließlich. Das Sender-Empfänger-Modell wird zusehends aufgeweicht, Interaktionen und soziale Austauschprozesse bestimmen die Kaufentscheidung und das Miteinander von Mensch und Marke. Die Folge: Alle rufen laut nach online (Marken-)Communities.
Communities sind das neue Zauberwort schlechthin. Eine Chatfunktion, etwas Content und einige Gewinnspiele - fertig ist unser innovatives Kundenbindungsprogramm. Dabei werden beim Communityaufbau oft die gleichen Fehler gemacht wie anno dazumal bei der Einführung zahlreicher Kundenkartenprogramme. Dem Angebot fehlt es schlichtweg an Relevanz und die Kunden werden nicht ernst genommen. Hinzu kommt, dass die Bandbreite der markenorientierten Communities von Fangruppen auf sozialen Netzwerken bis zu modernisierten Online-Kundenclubs reicht. Das Problem: Jeder versteht etwas anderes darunter. Die Chance: Noch nie hatten Marken so viele Möglichkeiten näher an die Menschen zu rücken als heute.
Wer sich mit dem Thema Communities beschäftigt, kommt schnell an den Punkt, wo er sich zwei Fragen stellt:
1. An welchem Ort hat die Community ihre Heimat?
2. Wer steuert die Community und sorgt für die Inhalte?
Wir haben uns im Rahmen der Studie „Closed User Groups – Best Practices zur digitalen Beziehungspflege“ mit dem Spektrum der markengesteuerten und im Markenumfeld beheimateten Communities beschäftigt. Diese nennen wir „Closed User Groups“. Daneben werden natürlich gerade in den letzten Monaten zusehends freiere und kooperativere Ansätze diskutiert und ausprobiert. Der Interaktionsgrad (siehe Diskussion und Kommentar von Felix Göbbl) kann dabei soweit gehen, dass markenunabhängige Communities, die sich auf Netzwerken wie Facebook und Co. organisieren, Content auf zentralen Markenseiten einstellen und pflegen. Solche Abgrenzungen sind modellhafter Natur. In der Praxis sollten sich Marken bewusst sein, dass sich Markengemeinschaften nicht auf einen zentralen, eingezäunten Bereich beschränken lassen. Die Studie hat gezeigt, dass die 40 untersuchten Closed User Groups aus unterschiedlichen Branchen eher im eigenen Saft kochen und keinen Nutzen aus bestehenden Gemeinschaften ziehen. Die drei Affen lassen grüßen…
Von Nutzern erbrachter Content involviert die Teilnehmer, hält die Seite stets aktuell und entlastet die Redaktionen. Deshalb erstaunt es, dass weniger als 20% der untersuchten Marken Inhalte von Nutzern zulassen und ebenso wenige die Nutzer aktiv auffordern, sich zur Marke, der Closed User Group oder dem Unternehmen zu äußern. Die Opodien-Reisecommunity von Opodo zeigt mit einem einfachen Fotowettbewerb, wie man Nutzer integrieren kann, ebenso zeigt Axe in verschiedenen Communities, wie man Gespräche sogar um ein Deo initiieren kann. Ein Austausch zwischen den Nutzern ist gerne gesehen, die Hälfte der Kundenbereiche hat ein Forum integriert, 8% stellen Blogfunktionalitäten bereit und jeder zweite Nutzer darf ein eigenes Profil anlegen. Die VPlusfriends Community von Veltins konnte sich von Platzhirschen wie StudiVZ und Coin in diesem Bereich am meisten abschauen. Insgesamt wird im „Community-Marketing“ deutscher Marken aber immer noch nach dem alten Sender-Empfänger -Prinzip gearbeitet. Schade eigentlich.
Mangelnde Content-Relevanz ist ein Grund, warum aus Kundenbereichen oft schnell Wüsten werden, Einsamkeit ein zweiter. Zwar nutzen alle untersuchten Kundenbereiche „Tell a Friend“-Funktionalitäten und immerhin 15% haben sich offensichtlich schon einmal mit herkömmlichen Suchmaschinen beschäftigt, aber innovativ ist etwas anderes. Das Auslösen viraler Effekte mittels nützlicher Widgets, die Unterstützung von Social Bookmarking oder die Umarmung bestehender nutzergetriebener Markenpräsenzen wurde nur von einer Handvoll Closed User Groups erkannt. Die Jogger Community Nike+ fällt mit ihrem Widget „Miles“ hier positiv auf.
Wir Marketer erleben gerade spannende Zeiten, das Verhältnis von Mensch und Marke wird neu ausgelotet, die Möglichkeiten der digitalen Welt sind schier endlos und dabei stehen wir gerade erst am Anfang. Die Menschen haben die Möglichkeiten erkannt und nutzen sie. Marken zögern noch, am Bahnsteig rumlümmelnd, und können sich nur schwer von gewohnten Denkmustern lösen. "Achtung, Achtung, der Zug fährt in wenigen Minuten ab, mit Ihnen oder ohne Sie, Sie müssen sich jetzt entscheiden".
Mehr zur Studie gibt’s hier.
Mein Kommentar dazu: wenn es in der Tat keine 20% der Markencommunities zulassen, dass die Nutzer ihren eigenen Content erstellen, dann stellt sich die Frage, was das denn für Communities sein sollen?! Wer einen reichhaltigen und lebendigen Austausch in einer Community unter den Fans seiner Marke haben möchte, der muss sich endlich von der Fiktion verabschieden, dass die Kommunikation zur Marke komplett einseitig gesteuert werden könne. Das war noch nie so - schon vor 50... 150... 1000 Jahren haben sich die Leute zu den Produkten und Marken des täglichen Lebens ausgetauscht und sich untereinander ein eigenes Bild gemacht. Das kann man mit Werbung nur sehr begrenzt beeinflussen. Häufig verpuffen die Versuche ganz. Wenn man also Communities bilden und damit Ansammlungen von Fans der Marke ermöglichen will, wie absurd ist es, ihnen dann keinen Austausch zu ermöglichen?
Amusiert hat mich diese Passage: "In der Praxis sollten sich Marken bewusst sein, dass sich Markengemeinschaften nicht auf einen zentralen, eingezäunten Bereich beschränken lassen. Die Studie hat gezeigt, dass die 40 untersuchten Closed User Groups aus unterschiedlichen Branchen eher im eigenen Saft kochen und keinen Nutzen aus bestehenden Gemeinschaften ziehen. Die drei Affen lassen grüßen…" - Fällt da nur mir ein Widerspruch auf? Ich halte es für arg unklug, die Sache dann "Closed User Groups" zu nennen... ;-) Seid Ihr sicher, dass der Name ein guter ist? Wenn die User Group Closed ist, tja... was soll sie dann bringen?! Drei Affen? Ich würde mir über das Branding für die Studie nochmal Gedanken machen, denn der Titel bringt die meisten Marketingleute auf die falsche Färte - eine closed Group klingt nach "Kontrolle, überschaubar, steuerbar". Aber genau das geht doch nicht, wenn man auf dem Cluetrain fahren will?