Vergangene Woche habe ich, als ich zu Besuch in der trnd-Zentrale war, bei Rob Nikowitsch und seiner Freundin übernachtet. Ich habe mir ihre neue Wohnung angesehen, und dort unter anderem auch ein paar Tuben einer Zahnpastamarke entdeckt. Wir machen derzeit eine Kampagne für die Marke und Rob hatte sich ein paar Tuben zum Testen mit nach Hause genommen.
Als ich mir im Bad die Zähne putzen wollte, habe ich mir die Zahnpasta dort genommen, um sie auszuprobieren, denn vor dem Schlafengehen werden natürlich brav die Zähne geputzt.
Die Zahnpasta schmeckte ziemlich unangenehm. Ich ging zu Rob ins Wohnzimmer und sagte "Das Zeug schmeckt ja, als ob man den Kitt aus den Fensterdichtungen isst!" Darauf sprang er von seinem Sessel auf, lief ins andere Zimmer und fing an, in den Unterlagen zu kramen, die er über das Produkt zuhause hatte. Er fand ein kleines Faltblatt, in dem man meine Beobachtung genau nachlesen konnte – daraus ging hervor, dass die meisten Menschen beim ersten Ausprobieren den Geschmack als eher unangenehm empfinden. Dass sich beim wiederholten Putzen – vier, fünf, ... acht Mal – das Empfinden jedoch ganz langsam ändert. Was man zunächst als unangenehm und salzig empfindet, wird schließlich als sehr angenehm frisch empfunden. Robs Freundin pflichtete bei: "Das ist verrückt, aber wenn man sich an diese Zahnpasta erstmal gewöhnt hat, dann findet man das super angenehm und frisch, während einem andere Zahnpasta plötzlich total fad vorkommt."
Bei der Gelegenheit sah ich, dass dort stand, dass die Zahnpasta gerade bei Zahnfleischbeschwerden hilft. Ich habe zur Zeit ein wenig Ärger mit meinem Zahnfleisch. "Ach was, das hilft auch bei Zahnfleischproblemen?" Rob: "Ja, auf jeden Fall, das ist ganz wichtig." Ich: "Oh cool, ich habe grade ein wenig Ärger damit."
Ich habe gestaunt. Nicht nur über die Zahnpasta – darüber auch. Aber vor allem darüber, wie unglaublich gut Mundpropaganda funktioniert:
- Sie funktioniert manchmal schon durch Beobachtung: Indem ich die Zahnpasta in der Wohnung und insbesondere im Badezimmer sah, wurde von ganz allein mein Interesse daran geweckt – zunächst ganz ohne Gespräch.
- Sie ist zeitlich passend und relevant: Rob und seine Freundin haben mir genau zum richtigen Zeitpunkt von Zahnpasta erzählt – abends vor dem Schlafengehen.
- Sie kann ein Produkterlebnis verschaffen: Das geht nicht mit allen Produkten, aber oft kann derjenige, der Mundpropaganda macht, auch das Produkt selbst zum Ausprobieren weitergeben.
- Sie kann Gegenargumente aushebeln: Als ich gesagt habe, dass mir die Zahnpasta nicht schmeckt, wollte ich damit eigentlich auch sagen, dass ich die Zahnpasta so schnell nicht wiederverwenden würde. Dadurch, dass die beiden mein Erlebnis bestätigt, dabei jedoch ganz andere interessante Perspektiven (das Geschmacksempfinden wandelt sich, sie hilft mit dem Zahnfleisch) eröffnet haben, hat sich meine negative Einstellung gewandelt.
- Sie ist überzeugend: wenn die beiden mir abends in ihrer Wohnung von der Zahnpasta erzählen und erläutern, dass sie die Zahnpasta ziemlich cool finden, dann vertraue ich ihnen. Warum sollten sie mir Unfug erzählen?
- Und sie funktioniert offenbar auch dann, wenn sie aufgrund einer Kampagne angestoßen wurde: ich weiß, dass die beiden die Zahnpasta nur deswegen zuhause haben, weil das unser Kunde ist und wir für diesen Kunden Mundpropaganda anstoßen wollen. Das machen wir zwar in den seltensten Fällen selbst – denn wir würden ja dann quasi bezahlte Mundpropaganda-Macher sein, und das wollen wir nicht. Mundpropaganda soll bei trnd nur deswegen entstehen, weil die richtigen Leute von einem Produkt wirklich angetan sind. Deswegen nenne ich hier auch nicht den Namen der Marke, man könnte mir sonst vorwerfen, ich würde auf meinem Blog bezahlte Werbung machen. Der kommerzielle Grund dafür, dass mir die Zahnpasta in die Hände gefallen ist, ist mir also hundertprozentig klar gewesen. Das ändert aber nichts daran, dass die beiden glaubwürdig sind, wenn sie mir erzählen, dass die Zahnpasta klasse ist. Es war mir in dem Moment völlig gleich, woher sie die Informationen hatten. Viel wichtiger war, dass sie sie hatten, dass sie interessant udn relevant war.
Das alles soll mal jemand mit klassischer Werbung hinbekommen. Oder mit irgendeiner anderen Werbekommunikationsform. Oder mit einer Guerilla-Marketingidee. Oder mit einem viralen Werbefilm.
Ach so. Natürlich werde ich die Zahnpasta nun weiter benutzen. Ich bin schon ganz gespannt, ob sich mein Geschmacksempfinden dazu tatsächlich verändert.