Bei unserer Arbeit bekommen wir häufig die Frage gestellt, wie das denn mit unserer Community genau sei - ob wir denn genau die Zielgruppe auch auf der Plattform haben, an die das jeweilige Unternehmen seine Produkte vermarkten will? Interessant daran ist, dass diese Frage eigentlich überhaupt nicht zu Word-of-Mouth Marketing passt. Ich will in den kommenden Zeilen erläutern, warum das so ist.
Warum werden im klassischen Marketing Zielgruppen definiert, die man anschließend mit möglichst zielgenauen Werbemaßnahmen (= Targeting) zu erreichen versucht? Weil die klassische Werbekommunikation den Nachteil hat, dass sie keinerlei Rückmeldungen vom Gegenüber ermöglicht. Man weiß ja beim Werben nicht, ob man seine Werbebotschaft an Leute sendet, die sich überhaupt dafür interessieren, denn die können ja nicht antworten.
Was tut also der Werber? Er versucht sich im Vorfeld auf möglichst ausführliche Weise die Person zurechtzudenken, die sich hoffentlich für seine Werbebotschaft interessieren könnte, damit es keine Streuverluste gibt. Es wird geforscht und befragt, und über Sinus-Milieus gegrübelt. Heute werden in den Strategie-Charts sehr häufig prototypische Konsumenten beschrieben, an die die Werbung idealerweise gerichtet sein soll. Es gibt dann eine typische Konsumentenfigur, der manchmal sogar ein Name gegeben wird, und alle Arbeit dreht sich dann darum, diesen Protoypen des idealen Konsumenten für die Marke zu beschreiben und zu erreichen. Oft wird dafür ausführlich das Leben dieser fiktiven Person beschrieben: "Birgit B. treibt gern Sport und lässt sich dabei durchaus von Ideen in den für sie relevanten Frauenzeitschriften - siehe Seite 34 - anregen." Alles mit der Hoffnung, dass schließlich die Werbung, wenn sie dann erstmal mit Millionen-Etats auf die großen Kanäle geschoben wird, dann auch bei den Leuten, die so ähnlich ticken wie Birgit B., ankommen wird. Denn wenn es erstmal so weit ist - wenn massenmedial geworben wird, dann ist die ganze Sache ein ziemlicher Blindflug. Als Werber bekommt man ja keine Rückmeldung vom Fernseh- oder Radiosender, ob die Leute, die davor sitzen, sich auch wirklich für die Botschaft interessieren, die man mit viel Mühe über viele Monate für die entwickelt hat.
Um hier also so gut wie möglich zu planen, sind Zielgruppe und Targeting erfunden worden - weil man auf diese Weise so gut wie möglich sicherstellen will, dass die eigene Werbung auch an Leute geht, die sich dafür interessieren.
Weil das so ist, denkt jeder Marketingverantwortliche heute in diesen Kategorien. Und er kann diese Denke oft auch gar nicht ablegen, wenn er dann mit ganz anders funktionierenden Marketingformaten zu tun hat. Warum aber ist das Word-of-Mouth Marketing ganz anders?
Weil es hier zwei entscheidende Unterschiede zum klassischen Marketing gibt. Erstens: WOM Marketing richtet sich zu Beginn nur an die Leute, die von sich aus Interesse an den Botschaften des Unternehmens bekundet haben. Wer gutes Word-of-Mouth Marketing macht, darf niemals Spam versenden. Sondern sollte nur an die Leute Botschaften senden, die mitgeteilt haben, dass sie das auch wollen. Bei trnd sieht das so aus, dass wir nur Leute in Kampagnen involvieren, die bereits Mitglied bei uns sind. Und unter unseren Mitgliedern dann wiederum nur diejenigen, die uns davon überzeugen, dass sie wirklich großes Interesse an der Marke und an ihren Produkten haben. Damit haben wir das oben geschilderte Problem nicht - wenn wir eine Kampagne starten, dann wissen wir, dass die daran beteiligten Mitglieder großes Interesse an dem Projekt haben. Sie haben es uns ja ausführlich geschrieben!
Was aber nun, wenn - oh Schreck! - ein teilnehmendes Mitglied gar nicht Teil der angepeilten Zielgruppe ist? Na, überhaupt kein Problem - die definierte "Zielgruppe" ist doch, wie oben beschrieben, kein Selbstzweck, sondern nur dafür entworfen worden, damit möglichst interessierte Leute die Werbebotschaft bekommen. Wenn wir aber wissen, dass jemand Lust auf die Marke und das Produkt hat, dann kann es uns doch gleich sein, ob er oder sie zur Zielgruppe gehört!
Aber es gibt noch einen zweiten Unterschied: wenn die Teilnehmer dann begeistert die Produkte testen und ihren Freunden und Verwandten davon erzählen, stellt sich für viele Marketingleute wieder die Frage: "Ja, aber erreichen Sie denn auch die Zielgruppe?" Und wieder kann man sagen: Das spielt überhaupt keine Rolle. Denn in der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt es ja das, was es bei der Werbung nicht gibt - Rückmeldungen. Wenn also ein Mitglied von uns absolut begeistert seinen Freunden über ein neues Kaugummi oder eine Hautcreme erzählt, dann werden manche Freunde sagen "Lass mal, interessiert mich nicht so." Und jeder normale Mensch (und das sind unsere Mitglieder) hört dann auf und nervt einen Bekannten nicht mit dem Thema, das denjenigen nicht interessiert. Wenn aber der Gegenüber sagt "Ach was, das ist ja interessant, zeig mal her!", dann weiß unser Mitglied, als normal funktionierendes soziales Wesen, dass es hier Sinn hat, mehr zu erzählen. Ob der Gegenüber dann Teil der offiziellen Zielgruppe ist, spielt wiederum keine Rolle. Auch dieser Mensch hat dann ja deutlich gesagt, dass er Interesse hat.
Word-of-Mouth Marketing braucht keine Zielgruppen und kein Targeting, denn es funktioniert von sich aus deutlich genauer als diese massenmedialen Instrumente.
Nachtrag 25.3., 15:40 Uhr: von Rob ein Beispiel dafür, wie WOM sich seinen Weg findet, selbst wenn das Seeding mal nicht optimal geklappt hat, was ja vorkommen kann (siehe Kommentar suse/mz).