Ich sitze in der Eröffnungsveranstaltung der EuroBlog 2008-Konferenz in Brüssel. Es wird – zumindest wurde das eben angesagt – auch per Video mitgeschnitten und direkt auf www.euroblog.org [Korrigiert: www.euroblog2008.org] gepostet. Ich würde gern live bloggen, aber – wie so oft – ist das WLAN extrem unzuverlässig... Aber dann blogge ich eben in Word und poste dann, wenn es mit der Verbindung wieder klappt.
Das Panel wird von Toni Muzi Falconi geleitet, ich hatte etwa vor einem Vierteljahr das Vergnügen, bei ihm in der Agentur in Turin einen Workshop zu machen. Er erklärt grade, dass die Ankunft von Social Media die Vorstellung von Kontrolle über die Kanäle und den Content aus PR-Sicht zerstört hat. Diese Idee sei verloren. Außerdem sagt er, dass das wissenschaftliche Konzept des Überredens nicht mehr anwendbar sei, sondern dass es heute um "Convincing" – also, wenn man den lateinischen Wurzeln folgt, um "gemeinsames Gewinnen" – gehe.
David Weinberger hat als zweiter 10 Minuten Zeit – nach einem Journalisten von LeMonde, der enorm viel geredet hat, dem ich aber nicht folgen konnte. Über Kontrolle sagt Weinberger, sie sei nur in den Medien möglich gewesen, weil Medien ein sehr knappes Gut waren – nur deswegen konnte man kontrollieren. PR-Leute konnten nur deswegen Mittler sein, weil es einen Flaschenhals gab. Nun kommen wir in eine Welt des Überflusses. Was bedeutet nun Authentizität in einem Zeitalter des Überflusses? David sagt, dass er – wenn er sehr selbstsicher klingt – eigentlich lügt und keine Ahnung hat. Und er dankt Edelman dafür, dass sie ihm die Reise bezahlt haben. ;-) Es gebe heute so viel Interesse an Authentizität, weil wir alle auf der Suche nach Dingen sind, die ein Unternehmen als bedeutungsvolle Einheit zusammenhält. Manche Unternehmen sehen wir an und denken, dass es irgendetwas an ihnen geben muss, was anders ist.
Als Beispiel nennt er Google, als ein Unternehmen, bei dem die Leute mit enormer Begeisterung dabei sind, gegenüber anderen Unternehmen, wo Leute nur dem Trott folgen. Aber dennoch findet er es schwer festzulegen, was Authentizität wirklich ist. Bedeutet es, dass auch derjenige, der die Mülleimer lehrt, auch 100%ig hinter dem Unternehmen stehen muss? Vermutlich nicht. Die Idee hinter Authentizität könne man formulieren als Deckungsgleichheit zwischen internem und externem Selbst. Aber David findet das nicht besonders hilfreich, grade bei Firmen nicht – was ist bei denen denn das "Innere Selbst"? Und außerdem: wie skaliert man Authentizität? Bei einem kleinen Fahrradladen kann man sicherstellen, dass alle begeisterte Radfahrer sind. Aber wenn die Firma wächst? Wenn man aber riesige kollaborative Projekte im Netz ansieht – Linux, Mozilla, Wikipedia – ist es deutlich leichter, sie als authentische Unternehmungen anzusehen. Das liegt vielleicht daran, dass die Instrumente der Zusammenarbeit (Social Software) in diesen Projekten keine Richtung vorgeben, sondern dass die Nutzer, die sich zusammenfinden, eine Übereinstimmung dazu finden müssen, was sie eigentlich wollen, und daher vielleicht authentischer sind. Abschließend weist er darauf hin, dass man Authentizität erst mal definieren sollte, bevor man sie anwenden will.
Lubue ist als nächster dran – er erklärt zunächst, dass viele Leute immer noch nicht wüssten, was Cluetrain eigentlich ist. Viele Firmen hätten noch keine Idee davon, was es eigentlich bedeutet, eine menschliche Stimme zu haben. Es geht ein wenig durcheinander, er spricht über X Sachen zur selben Zeit. Er spricht über Authentizität, Massenmedien, Word of Mouth. Massenpublikum gibt's nicht mehr, mit Minipublikum muss man sich jetzt abfinden. Jetzt kommt ein wenig Corporate Jargon: lieber über Return on Involvement reden als über Return on Investment. Was ist unser "share of conversation"? Und wie messen wir das alles? Keiner wisse, wie man das messen soll.
Frank Ovaitt www.instituteforpr.org ist wohl alter PR-Hase. Er sagt, er habe noch nie das Gefühl gehabt, Kontrolle zu haben. Wenn man, wie er das sieht, im "Relationship Business" ist, kann man keine Kontrolle haben, man kontrolliert nur das, was man selbst zur Beziehung beisteuern kann. Er sagt, über Social Media wird immernoch mehr geredet als damit gearbeitet wird. Nur 10% der Fortune Top 500 würden tatsächlich bloggen. Auch wenn viele Leute, die intensiv damit arbeiten, sehr intensive Veränderungen voraussehen. Er zitiert außerdem aus einer Studie, dass Mitarbeiter dazu neigen, gute Dinge über ihr Unternehmen zu sagen, wenn man sie lassen würde – auf Blogs beispielsweise. Außerdem sagt er, dass viele Unternehmen messen noch absolut überhaupt nichts von dem, was im Web passiert. Sehr interessante Sache: er sagt, dass aus einer Studie hervorging, dass bei Meinungsführern herausgefunden wurde, dass an ihnen unter anderem auffallend ist, dass sie ihren Freunden und Kontakten mehr zuhören. Wer also Einfluss möchte, der muss zuhören.
Tim Macmahon ist als letzter dran. Er sagt, die alte Vorstellung davon, dass man seine Botschaft klar definieren müsse, damit sie dann einfach weitergetragen wird. Das hätte ihn schnell ermüdet. Denn es hätte schon früher nur schlecht funktioniert. Er hätte aus einer frühen Zusammenarbeit mit Steve Case, dem späteren AOL-Gründer, schon in den frühen 80ern gelernt, dass das Internet die Bedeutung von Beziehungen intensivieren würde. Kommunikation ist nicht mehr linear – Sender-Empfänger – sondern, dass es eine technik-basierte echte Konversation wird.
Jetzt geht's zu den Fragen an die Mitglieder des Panels. Steve Rubel sagt grade aus dem Publikum, dass das Web 2.0 eigentlich dann am besten funktioniert, wenn es zur Kollaboration genutzt wird. Ein anderer Mensch hat gefragt, warum es noch keine guten Case Studies gibt. Lubue antwortet darauf, dass man mit Social Media-Projekten nur dann Erfolg haben kann, wenn das Top-Management an Bord ist. Denn sonst blockiert das Middle Management eine Sache, die sich nach "Graßwurzel-Revolution" anfühlt.
Ein interessanter Gedanke von Frank Ovaitt: Er sagt, dass PR-Leute seit 100 Jahren die Bedeutung von Zeitungen kennen. Dass aber dennoch nur die wenigsten damit begonnen haben, eigene Zeitungen anzufangen. Und genau deshalb ist den meisten vielleicht nicht klar, warum sie mit Blogs arbeiten sollten.
David Weinberger erzählt grade, dass die Leute bei NPR (National Public Radio) es nicht mögen, wenn Interviewpartner stottern, zögern, "öm" und "äh" sagen, weil das wenig professionell klingt – dass aber genau das die echte wahre Stimme von Menschen ausmacht.
Bei den verschiedenen Fragen mitzuschreiben, ist nur schwer bis gar nicht möglich. Dafür bin ich jetzt wieder online und kann daher das posten, was ich bis jetzt schon mal geschrieben habe.