Im letzten Monat konzentrierte sich die Ausgabe des Journal of Advertising Research komplett auf das Thema "Word of Mouth". Sechzehn Studien und Artikel befassen sich mit unterschiedlichen Facetten und Aspekten des Themas. Ich will hier versuchen, die wichtigsten Ergebnisse der verschiedenen Studien und Aufsätze kurz zusammenzufassen – man muss dabei allerdings im Hinterkopf behalten, dass die Arbeiten alle aus den USA stammen und damit nicht sicher ist, ob die Ergebnisse einschränkungslos auch in Deutschland gelten. Heute geht es um die ersten drei Texte.
Smith, Coyle, Lightfoot & Scott, 2007: Reconsidering Models of Influence: The Relationship between Consumer Social Networks and Word of Mouth Effectiveness.
Die Autoren berichten von drei Studien. In der ersten haben sie Web-User zu ihrem Mundpropagandaverhalten und zur Zahl ihrer persönlichen Kontakte befragt, dazu außerdem das Surfverhalten auf Websites beobachtet. Es kam heraus, dass Leute mit einem großen Kontaktnetzwerk offenbar mehr Mundpropaganda abgeben und häufiger um Rat gefragt werden, außerdem aktiver im Web selbst Content erstellen. In einer Folgestudie wurden dann einige der Teilnehmer in intensiven Interviews zu ihrem Mundpropagandaverhalten qualitativ befragt. Als Hauptmotivation identifizieren die Autoren das Bedürfnis der Leute, anderen Leuten helfen zu können und die Freude darüber, dass die eigene Meinung geschätzt wird. Die dritte Studie sollte ermitteln, was Botschaften "ansteckender" bzw. viraler macht, mit Fokus auf die Gesundheitsbranche. Wegen der spezifischen Besonderheiten von Gesundheitskommunikation lässt sich daraus aber leider nicht verallgemeinern. Insgesamt unterstreichen die Verfasser am Ende der Studie, dass auch sie zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht die wenigen besonderen Opinion Leaders sind, auf die man bei der Kommunikation achten muss, sondern mehr die Mehrheit der vielen mittelmäßig vernetzten Individuen. Opinion Leaders unnütz zu finden, ist ganz allgemein derzeit hochaktuell in der WOM-Forschung. (Insgesamt halte ich den Artikel für wenig wertvoll, den braucht man nicht unbedingt zu lesen.)
Allsop, Bassett & Hoskins, 2007: Word-of-Mouth Research: Principles and Applications.
Alle drei Autoren sind Forscher vom Unternehmen Harris Interactive. Das merkt man auch ein wenig am Text, er ist zum Teil deutlich zu selbstvermarktungslastig. Die Autoren zeigen Marktforschungsergebnisse, laut denen ebenfalls die These von den (10%) wichtigen "Influentials" widerlegt wird. Der Tenor der Intepretation ist: Wir sind alle irgendwann irgendwo einflussreich und wir alle fragen mal um Rat in einer bestimmten Produktkategorie und geben Rat in einer anderen. Allerdings beobachten die Forscher Unterschiede zwischen den Geschlechtern: während Männer (in den USA!) mehr über Autos, Finanzdienstleistungen oder Computer sprechen, geht es bei Frauen mehr um Körperpflege, Ernährung und Gesundheit. Insgesamt geben die meisten Menschen ihren Rat nur zu einer begrenzten Anzahl von Produktkategorien, während nur sehr wenige zu sehr vielen Produktkategorien etwas zu sagen haben. Abgesehen davon bietet der Artikel nicht viel nützliche Information, der Rest ist eigentlich nur PR in eigener Sache.
Nail, 2007: Visibility vs. Surprise: Which Drives the Greatest Discussion of Super Bowl Advertisements?
Jim Nail vom Online-WOM-Tracking-Unternehmen Cymfony behandelt in seinem Text ein sehr amerikanisches Phänomen, die Werbung beim Superbowl (das größte Sportereignis der USA, das Endspiel in der US-amerikanischen Football-League). Traditionell wird dort mit sehr viel Aufwand und für extrem teures Geld geworben, weil die Werbetreibenden einerseits auf die massiven Reichweiten setzen, und weil sie andererseits diese Reichweite durch besonders auffallende Spots mittels Mundpropaganda noch weiter "verlängern" wollen. Der Superbowl ist damit eine Art Riesenfest und Wettstreit der US-Werbeszene – darum, wer den am meistdiskutierten Werbespot zeigt. Um verschiedene Strategien zu untersuchen, hat Cymfony Nennungen aller 29 werbetreibenden Unternehmen, die beim Superbowl Anfang 2007 geworben haben, auf Blogs bzw. im Web 2.0 sowie auf Internetmedien und im Fernsehen überwacht. Grundsätzlich kam raus, dass intensive Bewerbung des Engagements beim Superbowl im Vorfeld auf jeden Fall die Diskussion unterstützt – wenn eine Marke bereits im Vorfeld intensiv anmeldet, dass sie sich beim Superbowl präsentiert, scheint das den Austausch der Konsumenten zu dieser Marke zu unterstützen. Wer dagegen erst am Superbowl-Wochenende selbst oder gar nicht ankündigt, dort zu werben, bekommt auch substanziell weniger Mundpropaganda und Medienaufmerksamkeit. Nach dieser Untersuchung ist demnach nicht damit zu rechnen, dass zu viel Publicity vor dem Event die entsprechenden Diskussionen hinterher abschwächt, weil die Spannung raus ist. (Wegen dieser Annahme wurde bei Werbung für den Superbowl lange sehr stark auf Geheimniskrämerei geachtet.) Allerdings werden hier zum Teil Äpfel und Birnen verglichen, denn man kann dem Artikel entnehmen, dass unterschiedliche Spots aus ganz unterschiedlichen Gründen sehr stark im Gespräch waren – Doritos und Chevrolet, weil sie Consumer Generated Advertising verwendet haben, Snickers und GM dagegen, weil es gesellschaftliche Kritik an und Kontroverse um ihre Spots gab. Letztlich ist der Artikel nur insofern interessant, als beim diesjährigen Superbowl vermutlich viele Werbetreibende auf den Zug aufspringen und bereits im Vorfeld viel Publicity für ihre Werbung machen werden. Aber damit erschöpft es sich dann auch, viel mehr kann man aus dem Text nicht lernen. [Nachtrag 24.01.2008: Gerade beim Werbeblogger entdeckt - Audi macht mit und kündigt im Vorfeld das Werbeengagement beim Superbowl detailliert an.]
Insgesamt bin ich von den ersten drei Artikeln eher enttäuscht. Wenig allgemeiner Mehrwert, viel Eigenwerbung. Das hätte ich bei einem Journal mit einem gewissen wissenschaftlichen Anspruch eigentlich anders erwartet.
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