In der aktuellen Wired steht ein vierseitiger Artikel über Alternate Reality Games. Er fasst recht knapp und lesbar zusammen, wie Marketing mittels Alternate Reality Games funktionieren (soll), der Aufhänger ist die Kampagne für das neue Nine Inch Nails Album "Year Zero", für das ebenfalls mit einer von 42 Entertainment entwickelten ARG-Kampagne geworben wurde. Selbst wenn Trent Reznor im Text mit dem folgenden Satz zitiert wird: "It's not fucking marketing. I'm not trying to sell anything." Denn die Idee hinter der Kampagne sei, dass für ein solches Konzeptalbum in den Zeiten von mp3 und iTunes nicht mehr die großen Plattencover zur Verfügung stehen, mit denen man in den 60ern die Geschichte um ein Konzeptalbum erzählen konnte. Also entstand der Gedanke, ein ARG zu organisieren, das den Rahmen für das Album bietet.
Vielleicht noch ein paar interessante Auszüge:
"Nach jedem Auftritt ist Reznor zum Hotel zurückgeeilt, um auf seinem Laptop zu beobachten, wie sich die Aktivität auf Fanforen und in Chatrooms ausbreitet. 'Ich konnte es gar nicht erwarten,' sagt Reznor, 'Haben sie's gefunden? Haben sie's gefunden? Ich weiß, es klingt nerdig, aber es war aufregend.' Das 42 Entertainment Team, das in einem engen Loft im Stadtzentrum von Pasadena arbeitet, hat noch genauer aufgepasst. Sie mussten sicherstellen, dass die Spieler nicht frustriert würden oder einen falschen Weg einschlagen."
Auch wenn ARGs nicht automatisch Marketing sein müssen, war jedes ARG bislang ein Marketingvehikel:
"Aus der Sicht von 42 spielt es kaum eine Rolle, ob man ein Spiel 'Marketing' nennt oder nicht. Eine Rolle spielt, dass irgendjemand – Reznor, Microsoft, Disney – die Sache bezahlt. Und bislang kommt der Scheck immer von Unternehmen, die irgendwas verkaufen wollen. Das hat zur Folge, dass viele ARG-Entwickler aus dem Marketing ausbrechen und einen anderen Weg finden wollen, Geld zu verdienen. Autoren, Filmregisseure und Fernsehproduzenten können ihre eigenen Geschichten erzählen, warum also keine ARG-Entwickler?"
Mein persönlicher Eindruck bei ARGs ist, dass sie eigentlich nur dann vernünftig einsetzbar sind, wenn das Produkt, das vermarktet werden soll, selbst mit Illusion, Traum und Phantasie zu tun hat. Andernfalls ist der Spannungsabfall beim Auflösen der Kampagne am Schluss einfach zu groß. Mit anderen Worten: wenn sich Leute wochenlang Gedanken um mysteriöse Dinge machen, Spuren folgen, sich zusammenschließen, grübeln und raten, dann entsteht einfach ein großes Enttäuschungsloch, wenn sich das alles nur um ein Handy oder um ein anderes eher normales Konsumprodukt gedreht hat. (Der Audi A3 bei 'The Art of the Heist' ist hier vielleicht eine Ausnahme.) Wenn es dagegen dann mit Illusion und Phantasie weitergeht (ein Thriller, ein Konzeptalbum), mag das funktionieren. Und nicht zuletzt ist das aktuelle ARG um den neuen Film 'Cloverfield' (wenn er denn so heißt) von J. J. Abrams vielleicht auch eine gute Illustration dieses Umstandes. Hinzu kommt in Deutschland dann noch das Problem, dass die spielbegeisterte Grundgesamtheit erst einmal deutlich kleiner ist als in den USA, man muss sich also mehr bemühen, eine entsprechende kritische Masse hinzubekommen.
Wer sich für das Thema interessiert, sei abschließend noch auf einen Event dazu hingewiesen: kommende Woche gibt es in Berlin eine Ausgabe des Social Webfrühstücks, bei dem es sich um ARGs drehen soll. Hier geht's zur entsprechenden XING-Anmeldeseite. [Nachtrag 18:31 h: Hier die Seite von den Veranstaltern, mit ein paar Infos und einem Link zu einer Anmeldeseite dort.]