Gerade habe ich die folgende E-Mail bekommen:
"Lieber Herr Oetting,
wir haben uns bei der Veranstaltung XYZ in XYZ im letzten Jahr kurz kennen gelernt. Sie waren gemeinsam mit meinem Kollegen XYZ in einem Pannel.
XYZ und ich schreiben gerade an einem Buch im XYZ Verlag zum Thema XYZ. Gern würden wir Sie zu Ihrem Thema Viralmarketing schriftlich interviewen. Es würde uns sehr freuen, wenn Sie sich hierfür die Zeit vielleicht noch in diesem Jahr nehmen könnten. Vorab vielen Dank!
Ich habe mir erlaubt, unsere Fragen direkt anzuhängen."
So geht's einfach nicht. Und dabei ist das typisch, nicht nur für Buchschreiber, sondern vor allem auch für Diplomanden und Bachelorarbeitschreiber. Es gibt bei manchen Menschen eine ganz seltsame Tendenz, einen Teil der eigenen Arbeit auf andere Leute abzuwälzen, die sie als 'Experten' ansehen. Wie kommen Leute auf den Gedanken, dass ich bis Weihnachten die Zeit habe, einen ausführlichen Fragenkatalog zum Thema Viral Marketing und Mundpropaganda schriftlich abzuarbeiten? Als hätte ich darauf gewartet, dass man mir drei Stunden unbezahlte Arbeit schickt? Wer ein Experteninterview will, der sollte genau das machen - ein Gespräch führen, z. B. am Telefon, und dann SELBST die Arbeit des Schreibens übernehmen. Denn dazu stehe ich immer gern zur Verfügung.
Oder die Studenten, die sich melden und erklären, sie würden eine Diplomarbeit zum Thema Viral Marketing ... Web 2.0 irgendwas ... Community sonstwas schreiben, und sie stünden noch ganz am Anfang und bräuchten von mir Literaturtipps. Eine vernünftige Antwort auf so eine Mail würde eine halbtägige Recherche- und Schreibarbeit nötig machen. Denn wenn der Studierende selber nicht mal genau weiß, was er oder sie genau erforschen will, wie soll ich dann passende Literaturtipps geben? (Dazu auch dieser Kommentar von mir beim Werbeblogger.)
Es gibt aber auch andere Leute. Gestern mittag erhielt ich eine Mail von einem Studenten, der mir ein Abstract seiner Arbeit geschickt hat, der weiß, was er erforschen will, der sich mit seinem Thema auskennt, und der höflich anfragt, ob er im Januar ein Expertengespräch mit mir machen kann. Super. Da helfe ich gern und so gut ich kann.
Nachtrag 19:20 Uhr, ziemlich krass, grade über XING reingekommen. Es wird immer besser:
"Hi Martin,
für eine interne Veranstaltung des Verlags XYZ bereite ich derzeit einige Charts vor. Gerne würde ich Deinen Input zu einigen Themen kennen. Vielleicht hast Du in den nächsten Tagen kurz Zeit zu telefonieren. Bestimmt fällt mir eine gute Gegenleistung ein. Meine Nummer ist XYZ, meine eMail ist XYZ.
Melde Dich doch bei Zeit und Interesse kurz (gerne auch über xing)
Viele Grüße
XYZ"
Da fällt mir jetzt gar nichts mehr dazu ein. Ich soll jemanden anrufen, um ihm bei einer Präsentation zu helfen? Wo sind wir denn hier? Machen die Leute das auch bei McKinsey oder bei BBDO? Habe ich "CHARITY" auf der Stirn stehen...?