Ich lese grade in einer Doktorarbeit unter dem Titel "Mundpropaganda im Internet - Bezugsrahmen und empirische Fundierung des Einsatzes von Virtual Communities im Marketing" von Jörg Meyer. Hab schon eine Reihe Sachen gefunden, die man bloggen könnte... Eins greife ich mal raus: auf den Seiten 51 bis 55 gibt er wieder und diskutiert die vier Faktoren, die Arndt bereits 1967 als die Gründe dafür identifiziert hat, warum Mundpropaganda (offline! Dies ist noch die Einleitung!) einen hohen Einfluss ausübt:
- Über Mundpropaganda werden persönliche Aufnahmefilter umgangen, weil die Gesprächssituation sozial kontrolliert wird. Bedeutet: wer Werbung sieht, kann Inhalte, die nicht gefallen, ausblenden. Bei Mundpropaganda geht das schlechter. Also mal angenommen, ich finde eine bestimmte Automarke nicht gut. Kommt Werbung von dieser Marke, mache ich mich darüber lustig oder schaue nicht hin, denn laut der Theorie der kognitiven Dissonanz bin ich bemüht, keine Aussagen zu akzeptieren, die meine bestehende Meinung gefährden. Wenn mir jedoch ein guter Freund von dieser Marke Positives erzählt, kann ich diese Abwehrhaltung nur deutlich schlechter aufbauen - ich bin, dank sozialer Normen, mehr oder minder gezwungen, mir diese Äußerungen eine gewisse Weile lang anzuhören und mich vielleicht auch damit auseinander zu setzen. Das kann dazu führen, dass sich meine Meinung ändert.
- Informationen werden mittels Mundpropaganda in einzigartig flexibler Weise angeboten. Das ist das, was ich in meinen Vorträgen zum Teil auch als "perfektes Targeting" durch Mundpropaganda bezeichne. Hier geht es noch darüber hinaus. Werbung oder Pressemeldungen fassen die Botschaft in einer einzigen Art und Weise. Wenn der Empfänger hier Widersprüche wahrnimmt oder mit Teilen der Botschaft so, wie sie präsentiert wurde, nicht einverstanden ist, gibt es keine Möglichkeit der Klarstellung. Das ist bei der Mundpropaganda anders - hier ist durch dynamische Anpassung im Gespräch Klarstellung möglich - die Kommunikation passt sich flexibel an die handelnden Individuen an.
- Die Glaubwürdigkeit der Informationen wird als sehr hoch wahrgenommen. Dies gilt insbesondere bei wertenden Äußerungen (und kaum bei schlicht beschreibenden). Gemeint ist hier der Faktor, der vermutlich von den meisten als entscheidend bei der Mundpropaganda angesehen wird - dass nämlich der Sender kein finanzielles bzw. geschäftliches Interesse am Empfehlen des Produktes hat, sondern unabhängig handelt. Seine Erfahrungen werden als hilfreicher Ersatz für die fehlenden Erfahrungen des Gesprächspartners mit dem Produkt gewertet.
- Gruppendynamik kann die Wirkung von Mundpropaganda unterstützen. Hierzu führt Meyer nicht viel mehr aus, sondern erklärt, dass diese Wirkung eigentlich eine Kombination der vorangestellten drei Wirkungen sei. Ich bin da etwas hin- und hergerissen. Manchmal können Gruppen trotz unglaubwürdiger Information und zum Teil auch unflexibler Kommunikation dem einzelnen gegenüber hohen Druck aufbauen, der sich beispielsweise aus (wahrgenommenem) Konformitätsdruck speist. Gerade im Modebereich kann man sich beispielsweise gut vorstellen, dass ein eher unnützes Kleidungsstück in manchen Kreisen zum Must-Have wird, obwohl vielleicht sogar die Mehrheit es eigentlich eher ablehnen würde, es aber von wenigen entscheidenden Personen in der Gruppe durchgesetzt wurde.
Aus meiner Sicht ist daran natürlich auch interessant, dass vor allem die ersten drei Faktoren auch bei der Mundpropaganda von Teilnehmern an trnd-Projekten gelten: Im normalen Gespräch über ein neues Produkt werden Aufmerksamkeitshürden überwunden, die Inhalte werden in für den Empfänger flexibler Weise rübergebracht, und der Sender ist glaubwürdig, denn unsere Mitglieder verbinden ja kein kommerzielles Interesse damit, die Produkte bekannt zu machen. Sie bekommen keine erfolgsabhängigen Prämien oder dergleichen. Daher denke ich auch, dass es überhaupt kein Problem ist, wenn sie ihren Freunden mitteilen, dass sie das jeweilige Produkt von trnd haben. Solange sie dann einfach ihre Meinung sagen, ist es eben auch Mundpropaganda (bestätigt wurde dies ja auch durch die Arbeit von Dr. Walter Carl).