Ich hab da mal eine Frage: wenn mich ein Konferenzveranstalter anfragt, ob ich einen Workshop machen kann, was wird dann von mir erwartet? Ich frage das jetzt nicht wegen einer konkreten Anfrage, sondern weil ich ganz allgemein eine Beobachtung gemacht habe, die auch Ami Milles gestern in einem Gespräch im Rahmen der Web 2.0 Expo hier in Berlin bestätigen konnte, Workshops betreffend:
Wer Workshop drauf schreibt, will meistens gar nicht Workshop drin haben!
Meine altertümlich-konservative (?) Vorstellung von einem Workshop ist in etwa diese: ein Referent und Moderator, der sich mit irgendeinem Thema gut auskennt, erklärt einleitend zunächst wichtige Grundlagen und Zusammenhänge zu einem Thema, für das sich die Workshop-Teilnehmer interessieren. Anschließend werden Fragen diskutiert, etc., und dann wird - genau - "geworkt". Also: es wird gearbeitet, die Teilnehmer machen selber etwas, sie müssen etwas entwickeln, erdenken, erarbeiten. In kleinen Teams, oder ganz allein und jeder für sich, oder vielleicht gemeinsam in der ganzen Runde. Dazu kann man klassische Workshop-Techniken anwenden, oder aber man verteilt Case Studies und lässt die Leute dafür Lösungen entwickeln. In dieser Arbeitsphase steht der Referent/Moderator als Sparringspartner zur Verfügung, gibt Unterstützung und Tipps. Und anschließend gibt es irgendeine Form der gemeinsamen Ergebnisfindung, beispielsweise indem die Lösungen der einzelnen Teilnehmer diskutiert werden. Und dann kommt am Schluss vielleicht nochmal ein Fazit des Referenten. Die Idee dabei: wer selber mit dem Material und mit den Konzepten aktiv arbeitet, der bekommt einen ganz anderen Zugang dazu, als wenn man es nur passiv an sich vorbeirieseln lässt. Darum also Workshop.
Und nun kommt meine Beobachtung: kaum ein Workshop findet heute auf diese Weise statt! Anstelle dessen gibt es einen Referenten, der redet... Lange. Und dann werden Fragen beantwortet. Lange. Und das war's in den meisten Fällen.
Mit anderen Worten sind Workshops heute eigentlich fast immer schlicht verlängerte Vortragsveranstaltungen. Ich muss zugeben, dass ich bei unterschiedlichen Konferenzen unter dem Titel Workshop selbst schon solche Sachen gemacht habe (was zum Teil auch einfach eine Zeitfrage ist). Aber ich hatte dabei häufig ein einigermaßen schlechtes Gewissen. Aus einem sehr einfachen Grund: um einen wirklich interaktiven Workshop zu machen, so wie oben beschrieben, muss man einiges mehr an Mühe investieren. Denn immer dann, wenn es richtig interaktiv wird, dann muss man als Referent ja die Animation der Interaktion übernehmen und auf verschiedene Reaktionen und Erwartungen der Teilnehmer gefasst sein. Man muss sich Gedanken dazu machen, wie man die Interaktion wirklich so organisiert, dass es den Beteiligten auch hoffentlich Spaß macht, und dass bei ihnen wirklich was hängen bleibt. Das ist immer eine riskante Sache, denn man weiß ja vorher normalerweise nicht, mit wem man es zu tun hat. Man bewegt sich auf dünnem Eis, denn die Leute finden die Interaktion vielleicht blöd, oder haben keine Lust zu den vorgeschlagenen Aufgaben. Es ist ein wenig wie Schule, es geht um Beteiligung. Und das ist nie einfach. Stundenlang vor sich hinzuquasseln ist zwar arg respektlos, aber letztlich deutlich einfacher für den Referenten. Und genau deshalb machen das ja auch die schlechten Lehrer so - endlos monologisieren, bis auch der letzte aufmerksame Schüler eingenickt ist. Wenn man als Teilnehmer dagegen wirklich mitgemacht hat, ist die Sache insgesamt sicher deutlich effektiver.
Nun habe ich kürzlich festgestellt, dass ich mir mein schlechtes Gewissen an den Stellen, wo Workshop drauf steht, ich aber nur längeren Vortrag mit Fragen mache, komplett schenken kann. Denn bei einem echten Workshop neulich - mit Case Studies und Gruppenarbeit - saß eine Mitarbeiterin des Konferenzveranstalters selbst mit in der Gruppe und nahm Teil, weil sie das Thema interessiert hat. Am Ende der Veranstaltung vertraute sie mir dann an: "Als Sie dann in Ihrer Einleitung gesagt haben, dass im zweiten Teil richtig interaktiv werden soll, und dass wir da dann selbst was erarbeiten müssen, da wurde mir dann schon ein wenig mulmig, dazu hatte ich eigentlich keine Lust. Aber es war dann echt gut, auf diese Weise hat man sich viel intensiver mit dem Material beschäfigt." Also kurz gesagt: selbst die Veranstalter rechnen bei diesen Workshops offenbar überhaupt nicht mehr damit, dass die Teilnehmer mitarbeiten und sich selbst was erarbeiten sollen!
Daher also meine Frage: Was ist denn nun ein Workshop? Was will derjenige erleben, der einen Workshop bei einer Konferenz besucht?