Bei der Konferenz "Jugendwelten" in der vergangenen Woche in Berlin saß ich gemeinsam mit Jens Tinapp von Microsoft auf einem Panel. Er hat dort über die Marketingaktivitäten von Microsoft für die XBox berichtet. Es waren viele interessante Sachen dabei, die sehr stark auf die Vernetzung und Mundpropaganda der Nutzer untereinander und gegenüber neuen Nutzern auserichtet sind. Grund genug, dazu hier eine kurze Zusammenfassung zu posten. (Ach so, ich hab noch nie auf einer XBox gespielt, hier redet also ganz klar der klassisch Blinde von der Farbe. ;-)
Bereits zu Beginn des Vortrages kam ein Satz, der mir sehr wichtig erscheint - Tinapp sagte "Jede Erfahrung ist heute eine gemeinsame." Also mit anderen Worten: wer heute mit der XBox Spaß hat - aber auch mit anderen Produkten oder Dienstleistungen - tut dies nicht allein, sondern immer irgendwie vernetzt mit anderen. Sei es, weil man gemeinsam mit anderen spielt, oder aber, weil man seine Erfahrungen ganz direkt und unmittelbar mit anderen teilen und sich über Produkte austauschen kann. Und das auf allen Kanälen - E-Mail, IM, Handy, Blog, Twitter... Und gerade die Zielgruppe, die sich mit der XBox intensiv auseinandersetzt, nutzt vielfach gerade diese Kanäle. Desweiteren war ihm offenbar sehr wichtig, deutlich zu machen, dass die Gamer eben nicht mehr nur typische Gamer-Geeks sondern mittlerweile 'Player' sind, also "Normalmenschen", die eben einfach auch mal Computerspiele spielen.
Externe Netzwerkeffekte
Besonders spannend fand ich, wie konsequent bei XBox Live (d.h. wenn man online verlinkt mit anderen spielt) auf externe Netzwerkeffekte gesetzt wird. Zunächst mal gibt es eine Reihe von Community-Tools, die die Bindung der Leute untereinander unterstützt. So können die User sich eine Reputation aufbauen, indem sie sich gegenseitig - ähnlich wie bei Ebay - bewerten. Dann gibt es den sogenannten Gamerscore - eine Liste, die den individuellen Punktestand über ganz unterschiedliche Spiele hinweg aggregiert und damit quasi eine "XBox-Gesamtkompetenz" des einzelnen Users ausweist. Damit können sich dann auch ganz unterschiedliche Spieler untereinander messen, also können Ego-Shooter z.B. gegen Strategiespieler "antreten", da sie ja in ihren unterschiedlichen Kompetenzen dennoch mit gleicher Währung gemessen werden. Dazu kommt, dass man sich aber auch genauer aufschlüsseln lassen kann, in welchem Spiel man stärker und in welchem schwächer ist als ein Freund, Bekannter, "Rivale", etc. Das heißt, hier kann man auch ganz konkrekt gegeneinander antreten. Wenn man zu diesen Mechanismen jetzt noch die Kommunikationstools hinzunimmt, die den Nutzern einen intensiven Austausch erlauben (der Instant Messenger von Microsoft ist mittlerweile offenbar auch integriert), dann wird deutlich, dass hier sehr viel getan wird, um externe Netzwerkeffekte anzuregen - um also dafür zu sorgen, dass die Nutzer mehr Spaß haben mit dem Produkt, je mehr von ihren Freunden sie einladen, auch dabei zu sein. So wird Mundpropaganda quasi in das Produkt mit eingebaut.
Ansteckende Beziehungspflege
Wer hier ab und zu mal mitliest, der weiß, dass der intensive Austausch mit der Community, mit den Meinungsführern und das Zuhören im Marketing aus meiner Sicht neben der Produktdifferenzierung eine entscheidende Rolle spielen. Und auch dieser Ansatz wird von Microsoft hier offenbar ganz bewusst verfolgt. Zum einen werden mehrere hundert Fanseiten, die von begeisterten XBoxern betrieben werden, nicht bekämpft (so wie Ikea das macht), sondern ganz bewusst unterstützt. Sie bekommen alle aktuellen Pressemeldungen, und es entstehen auch persönliche Bindungen. Tinapp sagte wörtlich: "Man kennt sich auch von Messen, etc." Sogenannte 'Clans', also Gruppenspielerteams, werden ebenfalls unterstützt, dürfen sich beispielsweise auch auf offiziellen Websites präsentieren. Er hat in seinem Vortrag mehrfach darauf verwiesen, wie wichtig es ist, hier den aktiven Leuten ganz bewusst zuzuhören, er sprach vom Involvement der Multiplikatoren, und davon, dass diese Leute VIPs sind, denen man nicht dazu reinreden sollte, wie sie mit ihrer Begeisterung für die Plattform umgehen, sondern auf die man eingehen sollte, denen man zuhören muss, weil ihre Passion für den Erfolg der Plattform so wichtig ist.
Ansteckende Werbung
Der Dreiklang aus "ansteckendem Produkt", "ansteckender Beziehungspflege" und "ansteckender Werbung" ist einer der Eckpfeiler meiner Arbeit, wenn ich einen ganzheitlichen Ansatz von viralem Marketing erkläre. Und auch im dritten noch verbleibenden Feld ist man bei Microsoft aktiv. Ansteckende (also virale) Werbung entsteht, weil man in den Promotionaktivitäten bewusst den Spielern und Fans einen Raum bietet, sich selbst mit einzubringen. So wurde zum Beispiel gemeinsam mit MINI/BMW ein Wettbewerb ausgelobt, bei dem die Mitspieler online in einer Rennserie gegeneinander antreten konnten. Die besten 10 Fahrer wurden dann auf einen Messestand eingeladen, wo sie dann das Finale ausgefahren haben. Der Sieger hier durfte dann wiederum in einem echten Auto in der MINI-Rennserie mitfahren und wurde - alle Achtung - immerhin Viertletzter. ;-)
Insgesamt war das ein aus meiner Sicht sehr überzeugendes Präsentation dafür, wie für die XBox ganzheitlich mit viralen Kommunikationseffekten umgegangen wird. (Die echten Fans, die hier ggf. mitlesen, könnten natürlich nun präzisieren, wie das denn tatsächlich alles bei ihnen ankommt.) Tinapp sagte zu Beginn seiner Präsentation, dass er Anfang des Jahres von Danone gekommen sei. Er hat also den Sprung von der Marketingklassik direkt in die Avantgarde des vernetzten viralen Marketings gemacht.
Nicht schlecht.
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