Im Rahmen meiner Teilnahme an der der Word of Mouth Marketing Konferenz in Kroatien in den vergangenen beiden Tagen hatte ich unter anderem die Gelegenheit, mit Marko Rakar zu sprechen, einem der (auch politisch) einflussreichsten Blogger dort. Er sagt von sich selbst, dass er sich derzeit dafür einsetze, dass die aktuelle kroatische Regierung bei den kommenden Wahlen in 40 Tagen abgelöst wird.
An dieser Stelle wollte ich natürlich mehr darüber wissen, wie es kommt, dass Blogger in Kroatien offenbar die Möglichkeit sehen, durch ihr Schreiben einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis der Wahl zu haben. Denn selbst wenn man für einen Moment annehmen würde, dass sich hierzulande eine Reihe von einflussreichen deutschen Bloggern darin einig wäre, die Abwahl einer bestehende Regierung zu betreiben, erscheint zumindest fraglich, ob es dafür wirklich Erfolgsaussichten gäbe. (Oder? Wer weiß...) Der Versuch, den Verkauf einer Studentenplattform mittels Blog-Enthüllungen zu behindern, scheint kürzlich jedenfalls eher gescheitert zu sein – so zumindest mein Eindruck.
Marko erklärte, dass die etablierten Medienorgane in Kroatien sensible oder skandalträchtige Themen, welche für die Politik gefährlich werden könnten, einfach nicht anfassen wollen. Es gebe in den etablierten Medienhäusern offenbar eine Unkultur des Verschweigens und Vertuschens, was dazu führt, dass Journalisten selbst dann, wenn sie in den Besitz von brisantem Material gelangen, daraus üblicherweise keine Geschichte machen. Aus Angst um den Job oder aus anderen Gründen, die er nicht näher dargelegt hat.
Das Enthüllen brisanter Geschichten fällt damit also zwangsläufig den Bloggern zu. Und diese übernehmen die Aufgabe mit viel Elan. Als wir mit einigen Leuten beim Mittagessen saßen, erreichte Marko auf seinem Blackberry eine Nachricht, er grinste und sagte dann: "We have a scandal in the making." Gerade war ein Dokument, das einen dubiosen Immobilienverkauf durch die Regierung an ein Privatunternehmen belegt und nach viel Korruption riecht, auf einem Blog publiziert worden. Wenige Wochen vor der Wahl. Erstaunlicher als diese Enthüllung fand ich dann aber, dass Marko erklärte, solche Enthüllungen würden die Blogger rund alle 10 Tage machen. Auf die Frage, wie sie denn an die Geschichten gelangen, erklärte er schlicht, dass es einen Bereich auf seinem Blog gebe, wo Leute – auch anonym und nicht trackbar – ihre Insider-Informationen über Skandale einreichen können. Und das tun die Leute auch. Drei bis vier verwertbare Geschichten kämen auf diese Weise pro Woche zusammen. Und so haben sie immer genug Material, um regelmäßig für neuen Aufruhr zu sorgen.
Dann kommt aber erst der wirklich interessante Teil: sobald eine Geschichte einmal über ein Blog an die Öffentlichkeit geraten ist, trauen sich auch die etablierten Medien, sie aufzunehmen. Er zitierte dazu eine Szene aus dem Film "Wag the Dog" (sehr empfehlenswert): "When a story breaks, we'll run it." Mit anderen Worten: wenn eine Geschichte erst einmal draußen und an der Öffentlichkeit ist, dann halten sich auch die klassischen Medien nicht mehr zurück.
Selbst wenn das als banale Feststellung erscheinen mag, wird auch anhand dieser Geschichte deutlich, dass es ganz deutliche Unterschiede in der Medien- und Politiklandschaft zwischen verschiedenen Ländern gibt. Und das erklärt auch, warum mancherorts Blogs eine ganz andere Rolle haben, und warum sie hierzulande vielleicht nie dieselbe Bedeutung einnehmen wie in den USA oder in Kroatien. Und vielleicht auch, warum sich hierzulande der klassische Journalismus(nachwuchs) noch immer eher zurückhaltend gegenüber dem Thema "Blogs" gibt. Es ist vielleicht einfach nicht so "notwendig"?
Nachtrag 21:23 h: Bei Robert gibt es ein paar interessante Kommentare zu diesem Thema.