In den letzten Tagen war ja die allgemeine Blogger-Aufmerksamkeit für den Schwabenspot bei YouTube kaum zu übersehen - selten erlebt man, dass ein Film so massiv von allen Seiten gelobt, empfohlen und weitergeleitet wird (Technorati zählt derzeit 307 Links). Bei YouTube werden derzeit rd. 260.000 Abrufe gezählt. Das sind keine US-amerikanischen Dimensionen, aber dennoch: alle Achtung. Der Film von JvM für Sixt, mit Matthias Reim und 'Verdammt ich hab nix', wurde ebenfalls viel beachtet, aber hat nicht ganz so viel Aufmerksamkeit in der Blogosphäre bekommen (Technorati zählt aktuell 87 Links), aber auch dieser Film wurde viel beachtet. (Und er gewinnt einen Lidschlag später schon irgendeinen Preis - bemerkenswert, wie man bei JvM die Sache mit den ganzen Awards immer deixelt...)
Was kann man von diesen beiden Filmen lernen?
Erstens: Unterhaltung, die nur sich selbst verkaufen muss, funktioniert meistens besser und schneller als solche, die einer Marke dienen soll. Der Schwabenspot hat kein eigenes Marketingziel, sondern ist eine parodierende Posse. Auch wenn man meinen könnte, dass er Viral Marketing als solches bekannter machen soll, greift er es eher als "Hype-Thema" auf und macht sich darüber und über verschlafene Marketingleute, die tollpatschig einem neuen Trend nachlaufen, lustig. Er dient letztlich nur sich selbst. Das ist bei der Sixt-Geschichte anders. Hier müssen Cabrios vorkommen und die Message "billig billig". Und schon wird der Aufwand höher, es wird schwieriger, das alles unter einen Hut zu bringen, man braucht einen 'Promi', der sich selbst auf den Arm nimmt, und die ganze Sache ist nicht annähernd so elegant gelöst wie bei der Star Wars-Parodie.
Zweitens: wer kein juristisches Risiko scheut und non-chalant heilige Kühe schlachtet, der kann deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es ist natürlich einfach und schon lange sehr beliebt, Star Wars zu verulken. Wenn es dann auch noch sprachlich und handwerklich so gekonnt daherkommt wie im Fall dieses Films, dann ist die Begeisterung groß. Für eine echte Marke ist so ein Ansatz aber kaum machbar, denn sie kann ja nicht anonym an Star Wars herumstricken und nicht preisgeben, wer dahinter steckt. Hier wird also aus der nicht-kommerziellen Anonymität heraus mit rechtlichen Risiken gespielt, die die Sache auch für den Zuschauer noch einmal attraktiver machen: "Mensch, was würde George Lucas wohl zu dieser Alberei sagen?" Natürlich wird auch bei Matthias Reim eine Kuh geschlachtet - aber keine heilige: er selbst ist es, und das Lied "Verdammt ich lieb Dich". Natürlich ist es irgendwie cool und sehr postmodernistisch, wenn sich jemand selbst auf die Schippe nimmt. Aber da es rechtlich abgesichert und harmlos ist, wirkt es vielleicht nicht ganz so krass wie bei dem Schwabenfilm.
Drittens: man darf sich nicht vertun, JvM setzt bei dem Sixt-Spot nicht allein auf virale Vertreitung - vor einigen Tagen lachte mich eine laute Doppelseite im Spiegel an, mit der für den Spot und die Online-Kampagne geworben wird. Und das wird nicht die einzige Werbung sein, die für den viralen Film geschaltet wurde.
Mein Fazit: Filme zu produzieren, die knallermäßig im Web rumgehen, geht dann am einfachsten, wenn man keine kommerzielle Botschaft transportieren muss. Denn dann kann man alle Energie in die Unterhaltung legen, und dann funktioniert die Sache am besten. Im Umkehrschluss gilt dann: wenn man eine Marke transportieren muss (und das ist bei der Werbung nun mal so), dann wird die Sache gleich deutlich hakeliger, man muss sich sehr viel mehr Mühe machen und das Ganze idealerweise mit anderen Kanälen unterstützen. Denn grundsätzlich gilt: Virale Werbung ist eine Spielart des Branded Entertainment. Man entwickelt Unterhaltung mit einem Markenabsender. Je weniger Marke, desto mehr Unterhaltung, desto mehr Spaß (Ausnahmen bestätigen die Regel). Aber auch: je mehr Unterhaltung und je weniger Marke, desto weniger Return on Investment.
Die Macher vom Schwabenfilm brauchen vermutlich kein Return on Investment. Und damit haben sie keine virale Werbung gemacht, sondern einen lustigen Film über virale Werbung. Wenn dieser jetzt durch seine anscheinenden "Wirksamkeit" das Virale Marketing selbst vermarketet, dann suggeriert er Effekte, die mit tatsächlichem viralen Marketing nur schwer zu erzielen sind.