Gerade bin ich vom Barcamp zurückgekommen. Leider konnte ich nur heute dabei sein, da ich morgen andere Verpflichtungen habe. Aber der eine Tag heute hat sich auf jeden Fall gelohnt. Nach einigen Gesprächen mit ganz unterschiedlichen Leuten saß ich als erstes in einer gemeinsamen Session der beiden deutschen Vorzeige-Corporate Blogs Frosta-Blog und Saftblog. Felix Ahlers von Frosta fing an, Kirstin Walther kam etwas später dazu.
Das Frosta-Blog hat heute rd. 6000 Hits am Tag, was ja für ein Blog in Deutschland ganz allgemein schon mal eine äußerst gute Zahl ist (ich glaube, der Werbeblogger liegt bei ähnlichen Besucherzahlen?). Ahlers hat dann unter anderem gezeigt, wie sie das Blog auch für die Kommunikation in problematischen PR-Situationen nutzen. Er berichtete davon, dass sie – aufgrund gestiegener Lebensmittelpreise – eine Packungsumstellung auf 500 g machen mussten. Von der entsprechenden Meldung auf der Frosta-Seite haben sie auch direkt auf das Blog verlinkt und damit zur Diskussion eingeladen. Dieser – sehr kontrovers diskutierte Eintrag – hat mehr Kommentare bekommen als bislang irgendein anderes Posting. Aber gerade auch kritische Meinungen bewusst in der Öffentlichkeit stehen zu lassen, sei ein wichtiger Faktor für die Glaubwürdigkeit – und das nicht nur gegenüber Endkunden, sondern grade auch bei den Geschäftskunden im Handel.
Die Mitarbeiter, die bloggen, stehen "im Tagesgeschäft", sind also nicht für das Bloggen extra abgestellt. Es gibt keine Zensur, aber es gibt zwei wichtige Regeln: nicht zu hart über den Wettbewerb schreiben und nichts über zukünftige Produkte. Außerdem schafft allein schon die Identifikation der Mitarbeiter mit den Produkten und dem Unternehmen die wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass niemand Dinge schreibt, die dem Unternehmen schaden würden. 90% der Beiträge werden völlig ohne vorherige Absprache veröffentlicht. Zum Abschluss seines Beitrages hat er dann noch einen neuen Werbefilm vorgestellt, der zeitgleich auf YouTube veröffentlicht wurde (hab eben kurz gesucht, ihn aber nicht gefunden). Er sprach zunächst mit erstaunlicher Offenheit von der "relativ langweiligen normalen Fernsehwerbung" von Frosta, sagte dann aber, dass diese (dennoch? deswegen?) eigenen Beobachtungen nach zu funktionieren scheine. Auf Basis des Kampagnenformats haben sie dann, quasi als Abfallprodukt bei denselben Dreharbeiten, Zusatzspots gemacht, die mit minimalem Zusatzaufwand nun als virale Clips verwendet werden können. So sind die viralen Filme also Zusatz und Ergänzung.
Kirstin Walther von der Walthers Saftkelterei freute sich dann sichtlich, in derselben Veranstaltung zu sprechen. Denn das Frosta-Blog sei damals der Anstoß gewesen, mit dem eigenen Blog anzufangen. Und auch wenn das Unternehmen viel kleiner ist, fand sie einen Vergleich dennoch passend, da es bei beiden Unternehmen zu Zeiten des Blog Launches Produktumstellung gegeben hatte. Während die Frostas auf rein natürliche Inhaltsstoffe umgestellt haben, hatte man bei Walthers entschieden, dass nur noch einheimische Früchte für die Säfte verwendet werden sollen. Entstanden war die Idee für das Saftblog im Gespräch zwischen Martin Roell und dem zweiten Walthers-GF Jörg Holzmüller. Schon 2004 hatte Martin das Thema Blogs angeregt und anhand seines Blogs (mittlerweile nicht mehr weitergeführt) durch einen Safttest demonstriert, was ein Blog leisten kann. Man habe dann intern viel gegrübelt, und den Ausschlag, es wirklich zu machen, gab dann das Frosta-Blog.
Als das Blog an Aufmerksamkeit gewann, haben sie über Nacht einen Web-Shop eingerichtet, der mittlerweile so gut läuft, dass eine externe Logistik notwendig wird. Sie sagte, dass dieser Direktvertrieb viel Spaß macht – letztlich auch, weil er mehr verdient, denn dort ist kein Zwischenhändler mehr dabei. Der Direktvertriebsanteil liegt mittlerweile bei über 20%, sie müssen das sogar derzeit etwas bremsen, da das Warenwirtschaftssystem der Sache noch gar nicht ganz gewachsen ist. Wenn also irgendwelche Skeptiker sagen, dass Blogs nichts bringen und nur Geld und Mühe kosten, dann kann man ja mal auf dieses Beispiel verweisen. (Mache ich in meinen Präsentationen übrigens auch immer. :-)
Insgesamt eine sehr interessante Session zu den beiden Blogs, die mir nochmal gezeigt hat, warum diese Blogs funktionieren: weil dahinter Unternehmer stehen, die meinen, was sie sagen. So einfach ist das.
Zum Mittagessen ging’s dann ins Stadtzentrum zum Frosta-Restaurant, wo wir alle vom Chef selbst bekocht wurden (natürlich mit Produkten des Hauses). Insgesamt sehr pfiffig eingefädelt: dutzende Blogger, die alle gemeinsam bei Frosta verköstigt wurden. So macht man Viral Marketing mittels Beziehungspflege. Das bringt mich dann auch gleich zur Session, die ich am Nachmittag gemacht habe: Viral Marketing für Web Start-Ups. Ich habe die Gelegenheit ergriffen, um auf den zentralen Punkt hinzuweisen, dass virales Marketing bei einem Web-Start-Up nicht Nachgedanken im Sinne einer Kampagne sein darf. Man muss die Mundpropaganda bereits von Anfang an in sein Produkt und in seine Kommunikation mit der Außenwelt hineinentwickeln. Zweitens sollte man, wenn das Produkt entsteht und auch wenn man schon gelauncht hat, die Beziehungspflege zu den richtigen Leute sehr ernst nehmen.
Anhand von Beispielen wie Autoki.de, StudiVZ oder Mister Wong habe ich beschrieben, wie dort die Verantwortlichen dafür gesorgt haben und weiterhin dafür sorgen, dass die Plattform landauf landab in den entsprechenden Kreisen präsent ist. Und zwar fast immer vor allem durch unermüdlichen monatelangen persönlichen Einsatz. Die Hoffnung vieler Start-Ups, die ihre Plattform ins Netz stellen, dass dann anschließend das virale Wunder passiert, ist meiner Ansicht nach unrealistisch. Die Session war ziemlich gut besucht, was mich natürlich gefreut hat.
Anschließend habe ich noch eine Session von Sarik Weber miterlebt, der uns in die Geheimnisse seines persönlichen Networking-Stils eingeweiht hat. Insofern besonders interessant, als eigentlich das Networking zu einem gewissen Grad integraler Bestandteil des oben geschilderten Viral Marketing à la Beziehungspflege sein muss. Insofern hat Sariks Session meine eigene eigentlich auch erweitert oder ergänzt. Auf dem Weg nach draußen hat mich dann noch Jan Beckers für Gründerszene interviewt und ich konnte von Kirstin Walther auch noch ein kurzes Videointerview bekommen, bevor ich in ein Taxi und von dort in den Zug gehüpft bin. Und als ich in Berlin aus dem Zug stieg, lernte ich noch Uwe Frers (TripsByTips / escapio) kennen, der auch beim Barcamp gewesen war, und mit dem ich dann hier noch was essen gehen konnte. Fazit: erstklassiger Tag, danke an alle engagierte Barcamp-Organisierer und –Besucher. Wünsche dann morgen noch viel Spaß!