Friedrich v. Zitzewitz ist Kreativdirektor bei TribalDDB und war dort mit für das Projekt Schlämmerblog verantwortlich. Er hätte bei unserem WOMday eigentlich als Redner auftreten sollen, und als Vorbereitung dafür war auch das folgende E-Mail-Interview gedacht. Dass das nun verschoben wurde, ist aber natürlich kein Grund, das Interview zum Projekt Schlämmerblog hier nicht zu veröffentlichen. Also los:
Martin Oetting: Herr von Zitzewitz, das Schlaemmerblog hat von den deutschen Bloggern enorm viel Resonanz bekommen. Glückwunsch dafür! Hatten Sie damit gerechnet?
Friedrich von Zitzewitz: Wir hatten mit viel Resonanz gerechnet. Wir wussten ja um die Beliebtheit und Zugkraft von Horst Schlämmer. Trotzdem hat die Begeisterung der User für die Aktion und die Bekanntheit der Volkswagen-Aktion mit Horst Schlämmer in einer breiten Öffentlichkeit unsere Erwartungen noch übertroffen. Letzte Woche saß ich in einem Restaurant und bekam mit, wie der Nebentisch sich gegenseitig die Schlämmer-Filme nacherzählte. Und ein Bekannter von mir erzählte, dass er auf einer Ski-Gruppenreise war, wo die Schlämmer-Filme jeden Abend über Beamer gezeigt wurden.
Martin: Volkswagen ist mittlerweile – insbesondere auch durch die Arbeit von DDB – in Deutschland wieder für unterhaltsame Werbung bekannt. Hierzulande wurde aber bis vor kurzem kaum mit Mundpropaganda-Effekten oder viraler Verbreitung gearbeitet. Wie kam es zum Projekt Schlaemmerblog.tv?
v. Zitzewitz: Los ging es mit dem viralen Traumpaar Volkswagen/Schlämmer im Herbst letzten Jahres. Da hatten wir von Tribal DDB zusammen mit unseren Kollegen von DDB Berlin Horst Schlämmer als Testimonial für eine Vertriebskampagne präsentiert. Ein Blog von und mit Schlämmer tauchte dort schon auf, war aber noch nicht das zentrale Kampagnen-Element. Volkswagen war so angetan von der Figur „Schlämmer“, dass wir dann nach einigen Diskussions- und Präsentationsrunden das Konzept festzurren konnten: Eine groß angelegte Viral-Aktion mit Horst Schlämmer flankiert die Vertriebskampagne – ohne direkt mit ihr verknüpft zu sein.
Martin: Man kann den Eindruck bekommen, dass grade Hape Kerkeling und sein Horst Schlämmer von der Kampagne profitiert haben. Welche Ziele hatte VW bei der Aktion, und wurden sie erfüllt?
v. Zitzewitz: Schlämmer und Volkswagen – beide haben enorm profitiert. Volkswagen wollte in erster Linie für positiven Gesprächsstoff sorgen und was fürs Image tun. Außerdem war die Führerschein-Story mit Horst Schlämmer auch ein wichtiger viraler Testlauf für Volkswagen, um neue Kommunikationswege und -möglichkeiten – besonders im Hinblick auf eine sich verändernde Medienlandschaft und -nutzung – zu testen.
Martin: Das Verhalten der Blogosphäre und der Nutzer im Netz ist oft nur schwer vorherzusehen. Was hat Sie im Kampagnenverlauf am meisten überrascht – positiv wie negativ?
v. Zitzewitz: Es war super, dass die Aktion sehr schnell eine große und sehr aktive Anhängerschaft versammelt hat. So wurde die Aktion bei negativen Wortmeldungen sofort von den Bloggern und Usern selber verteidigt. Ergebnis: toller, zusätzlicher Gesprächsstoff. Laut gelacht habe ich, als ich mitbekam, dass in einem Blog zur Aktion „Deutschland sucht die schönste Männerwade“ aufgerufen wurde. Auslöser hierfür war der Film, in dem Horst Schlämmer auf Anhalter macht und dabei sein Hosenbein lüpft. Das illustriert ganz schön, wie begeistert die Leute bei unserer Geschichte mitgespielt haben.
Martin: Es wurde nicht von Anfang an preisgegeben, dass es sich bei Schlaemmerblog.tv um eine Volkswagen-Kampagne handelt. Warum war das so? Gab es einen klaren Zeitplan für das ‚Outing’, und wenn ja, wurde er eingehalten?
v. Zitzewitz: Sagen wir, es gab einen flexiblen Zeitplan. Volkswagen trat am Anfang zwar nicht als Absender auf, wollte aber auch nicht dementieren und sich dann „outen“, wenn das „Geheimnis“ in der Netzgemeinde gelüftet wurde. Das ging überraschend schnell und zeigt die Kraft von Mundpropaganda. Die Wege der „Aufdeckung“ liefen z.B. so: Ein User hat einen Kumpel, dessen Schwester hat eine Freundin, die tatsächlich in Grevenbroich in der Fahrschule saß, bei der Horst Schlämmer auftauchte.
Martin: Auch wenn das Projekt mittels Blog umgesetzt wurde, war es offenbar nicht für einen wirklichen Dialog zwischen Unternehmen und Nutzern gedacht. Wird es von Volkswagen künftig auch echtes Bloggen aus dem Unternehmen heraus geben?
v. Zitzewitz: Bei diesem Projekt stand die Unterhaltung im Mittelpunkt und es ging um interaktives Storytelling. Toll war, wie die User sich auf die „gefühlte Authentizität“ mit Horst Schlämmer eingelassen und das Spiel mitgespielt haben. Ein Blog des Unternehmens Volkswagen wäre ein ganz anders Thema.
Martin: Und abschließend: wenn sich Marken aktiv im Web 2.0 bewegen wollen, welchen Rat würden Sie ihnen dafür geben?
v. Zitzewitz: Tolle Themen und Geschichten entwickeln, lustig und kreativ sein. Und vor allem, sich bloß nicht zu brav an die vielen Regeln halten, die es mittlerweile für Blogs, Web 2.0 und virales Marketing zu geben scheint.
Martin: Vielen Dank für die Antworten!