Wer Mundpropaganda und virale Effekte will, sollte sie am besten direkt in sein Produkt einbauen. Die sicherlich eleganteste Möglichkeit dazu sind 'Network Externalities', oder auch: externe Netzwerkeffekte. Sie greifen dann, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung nützlicher werden, je mehr Leute dabei mitmachen. Bekannte Beispiele sind Skype oder ICQ - je mehr Leute den Dienst installiert haben und verwenden, desto besser ist es für jeden einzelnen, weil dann mehr Leute darüber erreichbar sind. Leider geht das meistens nur bei Telekommunikationsanwendungen, siehe genannte Beispiele.
Allerdings kann man mit etwas Nachdenken auch andere Produkte mit solchen Effekten ausstatten. Ein interessantes Beispiel sind "Webkinz". Das sind Stofftiere, die um externe Netzwerkeffekte erweitert wurden. Mit jedem Webkinz-Tier bekommt der Besitzer einen Code, mit dem er sich auf der Webkinz-Plattform im Netz einloggen kann. Dort findet er dann einen Avatar seines eigenen Webkinz. Nun ist dieses Webkinz aber erstmal noch allein, es muss also Freunde zum Spielen finden. Genau deswegen fragt der neue Besitzer seine Freunde (in der Offline-Welt), ob sie denn auch ein Webkinz haben. Voilà. Mundpropaganda entsteht. Dave Balter hat neulich erklärt, dass Webkinz in den USA zu einem enormen Kassenschlager wurden.
Ein anderes Beispiel kommt von den "Externe Netzwerkeffekte-Spezialisten" Niklas Zennström und Janus Friis. Ihre beiden bisherigen Verntures Kazaa und Skype basieren auf externen Netzwerkeffekten, hatten enormen Mundpropaganda-Erfolg und haben in ihren jeweiligen Branchen für ein gehöriges Durcheinander gesorgt. Kazaa, die File-Sharing-Plattform, wurde besser, umfassender, nützlicher, je mehr Leute ihre Musiksammlungen über den Dienst angeboten haben. Bei Skype genauso: wer kostenlos mit Freunden telefonieren wollte, musste die Freunde erst über Skype informieren und konnte dann den Service gemeinsam nutzen. Die Freunde haben wiederum anderen davon erzählt. Mit dem aktuellen Projekt der beiden, Joost, hatte ich mich bislang noch nicht wirklich beschäftigt. Nico Zorn hat mir nun am vergangenen Wochenende bei einer Party erklärt, dass auch bei diesem Web-TV-Projekt das Peer-2-Peer-Prinzip genutzt wird, und vor allem, dass der Dienst technisch besser funktioniert, je mehr Leute Mitglied sind. Anders also als YouTube gehen hier die Server nicht in die Knie, wenn zu viele Leute mitmachen, sondern ganz im Gegenteil - jeder zusätzliche Teilnehmer, der sich einloggt, stellt den Content, den er sich runterlädt oder streamt, zugleich für andere neue Nutzer mit zur Verfügung. Mit anderen Worten: je mehr Leute dabei sind, desto besser sollte die Qualität bei jedem einzelnen sein. Also auch hier: externe Netzwerkeffekte.
Ob dadurch allerdings Mundpropaganda entsteht - ob also die Leute den technischen Aspekt sehen und deswegen ihre Freunde zur Mitnutzung anregen wollen, weiß ich nicht. Hier hängt es sicher, ebenso wie bei den anderen oben genannten Diensten, vor allem davon ab, ob man auch als erster Nutzer schon eine angenehme bzw. besonders gute Erfahrung mit dem Dienst hat, ihn also guten Gewissens auch an andere weiterempfehlen kann.
Wenn das aber gelingt, wenn sich der Dienst also wirklich rumspricht, dann gelingt echtes virales Marketing. Wer dagegen virale Filme verbreitet und hofft, dadurch etwas für seine Marke und sein Image zu tun, der mag richtig liegen, und ich habe auch überhaupt nichts dagegen. Aber das ist dann eben nur virale Werbung. Virales Marketing ist ganzheitlicher, fängt idealerweise schon bei dem eigenen Produkt an, und es macht keine lustigen Filme bekannter, sondern das Produkt und die Marke selbst.
(Im übrigen frage ich mich, was man noch alles mittels Peer-2-Peer machen kann - nach Musikdistribution, Telefonie und nun Fernsehen. Naja, wir brauchen wohl nur zu warten, was die beiden Herren machen, wenn sie Joost wieder für mehrere Milliarden verkauft haben. Auch das nächste Projekt wird sicher wieder auf Peer-2-Peer-Basis laufen... ;-)