Nun der dritte Teil in der Serie "Der Drang zum Empfehlen" (Teil 1, Teil 2): wie löst man Mundpropaganda aus, nachgeschlagen in der wissenschaftlichen Literatur. Dieses Mal geht es um den Text "Generating positive word-of-mouth communication through customer-employee relationships" von Dwayne Gremler, Kevin P. Gwinner und Stephen Brown, erschienen im International Journal of Service Industry Management, Vol. 12, 2001. (Auch als - verspätete - Reaktion auf die Bitte von Moritz. ;-)
Die Autoren gehen in ihrer Forschungsarbeit der Frage nach, wie positive Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmensangehörigen Mundpropaganda unterstützen können. (Darum ging es u. a. auch schon in diesem Eintrag, allerdings weniger wissenschaftlich.) Eingangs beschreiben sie das Beispiel der Harley-Davidson Owner Groups - die sogenannten HOGS - über die mehr als eine halbe Million Harley-Eigner regelmäßig in Kontakt mit Harley-Händlern und Mitarbeitern stehen. (Wobei die halbe Million vermutlich nur für die USA gilt.) Die Mitarbeiter werden dabei explizit aufgefordert, die Kunden kennenzulernen, mit ihnen den Austausch zu intensivieren. Für klassisches Marketing wird nur sehr wenig Geld aufgewendet, stattdessen investiert das Unternehmen in echtes Beziehungsmarketing.
Grundannahme der Studie ist: eine persönliche Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Kunden kann positive Mundpropaganda unterstützen. Die Autoren nehmen an, der entscheidende Faktor dabei sei das Vertrauen, das zwischen beiden entsteht - dieses wiederum basiert auf drei Faktoren: Vertrautheit, ein persönlicher Draht sowie Anteilnahme ('care'), die der Kunde beim Mitarbeiter im Unternehmen wahrnimmt. Wenn sich also Kunde und Mitarbeiter gut kennen, wenn es irgendeine Art persönlicher Verbindung gibt, und wenn der Mitarbeiter sich wirklich für die Belange des Kunden interessiert, dann wächst das Vertrauen und damit die Bereitschaft zu positiver Mundpropaganda.
Untersucht wurden diese Annahmen dann mittels Fragebogen mit zwei Gruppen von Befragten - Kunden einer Bank (1303 Leute) und Zahnpatienten (368 Leute). Anhand verschiedener Skalen haben die Forscher versucht zu messen, ob und wie stark Vertrautheit, persönliche Verbindung und Anteilnahme ausgeprägt sind, und wie und ob Vertrauen und Mundpropaganda davon abhängen.
Die Ergebnisse in Kurzform: bei der Prüfung ihrer Annahmen (Hypothesen) konnten die Wissenschaftler feststellen, dass bei beiden Gruppen alle Annahmen zutreffen, mit einer Ausnahme: eine Verbindung zwischen Vertrautheit ('familiarity') und Vertrauen ('trust') konnte nicht nachgewiesen werden - was gerade, wenn man es in der deutschen Übersetzung liest, leicht erstaunen mag. Denn da klingen die Wörter schon so nah aneinander, dass man es sich kaum vorstellen kann. Aber Familiarity im Englischen heißt eben einfach, dass man jemanden vielleicht häufig sieht und ihn kennt. Das muss noch nicht bedeuten, dass man ihm dann auch vertraut. Die Autoren weisen abgesehen davon darauf hin, dass laut Analyse die anderen genannten Faktoren (persönliche Connection und Anteilnahme) einen sehr hohen Anteil der positiven Mundpropaganda zu bewirken scheinen - und zwar erst einmal völlig unabhängig davon, wie zufrieden die Leute tatsächlich mit der Leistung des Unternehmens sind. Sie halten fest, dass Zufriedenheit natürlich auch ein wichtiger Faktor ist, damit positive Mundpropaganda entsteht, aber eben nicht allein. Eine engere Beziehung zwischen den Kunden und den Vertretern des Unternehmens ist dafür ebenfalls wichtig.
Die Autoren geben die folgenden Empfehlungen: wenn Dienstleistungsprozesse geplant werden, sollte dafür gesorgt werden, dass es möglichst viele Möglichkeiten für Austausch zwischen Servicepersonal und Kunden gibt. Während die meisten Call-Center versuchen, genau das Gegenteil zu erreichen, schlagen die Autoren dagegen vor, dass die Effizienz, die durch Verwendung von CRM-Software entsteht, am besten dadurch genutzt werden sollte, dass man die freigewordene Zeit für direkte Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden nutzt. Was natürlich erstmal bei den meisten Unternehmen auf taube Ohren stoßen dürfte, denn die Einsparungen werden ja gemacht, um sofort mehr Profit zu erzeugen. Aber das könnte vielleicht eine falsche Strategie sein - wer sie stattdessen in Mundpropaganda investiert, könnte vielleicht mittelfristig mehr für die Profite tun. Ein weiterer Hinweis, den die Autoren geben: in Kundendatenbanken sollten auch persönliche Informationen, wie beispielsweise gemeinsame Interessen mit einem Mitarbeiter, aufgenommen werden. Dann kann man dafür sorgen, dass der entsprechend interessierte Mitarbeiter auch mit dem jeweiligen Kunden redet. Allgemein schlagen die Autoren vor, dass die Mitarbeiter mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten erhalten, denn dann können sie auch nach eigenen Vorstellungen die Beziehungen zu ihren Kunden ausbauen. Allerdings weisen sie auch darauf hin, dass man nicht um alles in der Welt und mit jedem Kunden einen intensiven Dialog aufbauen sollte (wie gerade bei Robert persifliert). Denn manche wollen eben einfach nur ein Handy kaufen. ;-)
Für unsere Arbeit können wir daraus ableiten, dass der direkte Dialog, den wir mit jedem Mitglied in einem Projekt organisieren, wirklich wichtig ist für unsere Projekte. Letztlich geht es darum, dass Leute merken, dass man auf sie Acht gibt und sich für sie interessiert. Dann reden sie auch gern über die entsprechende Marke.
(Passend dazu außerdem noch dieser Eintrag von gestern.)