Derzeit findet beim Werbeblogger eine interessante Diskussion statt, sozusagen: Bereits am Donnerstag vergangener Woche schrieb Patrick einen passionierten Text dazu, was Fans einer Fernsehserie alles aus Begeisterung tun, um auch andere Menschen von ihrer Begeisterung anzustecken. Er hat früher beispielsweise wegen Twin Peaks seine Schultasche bemalt oder T-Shirts bekünstelt. Für Marken, die sich mit proaktivem Umgang an dieser Art Hype beteiligen, sieht er daher großes Potenzial, und er beklagt, dass es bislang zu wenige nutzen.
Gestern dagegen schrieb Roland einen kritischen Text zu User Generated Advertising. Er führt die verschiedenen Probleme auf, die es mit sich bringt, wenn man bei der Werbeentwicklung nicht seine üblichen Werbedienstleister zu Rate zieht, sondern sich stattdessen auf die Kreativität einer Online-Kreativgemeinde verlässt: Wie entlohnt man richtig (AAL: "andere arbeiten lassen"), was ist mit dem Urheberrecht, und kommt es nicht zum Dilettantentum in der Werbeprofession, wenn jeder meint, mitmachen zu können?
Außerdem und mal ganz abseits des Werbebloggers: in vielen Medien findet man mittlerweile Artikel, in denen sogenannte Markenfachleute lautstark davor warnen, die Marke aus der Hand zu geben und die Konsumenten daran "rumpfuschen" zu lassen.
Meiner Ansicht nach hat jeder der drei Ansatzpunkte etwas Wahres, aber jeder trifft auch ein wenig am Kern vorbei. Aus folgendem Grund: Das aktive Involvieren der Konsumenten im Netz sollte weder deswegen geschehen, weil es günstiger ist, noch, weil es irgendwie grade 'in' oder 'aktuell' ist, noch sollte es notwendigerweise als Huckepack auf erfolgreichen Fernsehserien stattfinden. Es sollte vor allem deswegen gemacht werden, weil es meiner Ansicht nach für Marken die einzige Art und Weise ist, mit den vernetzten kreativen und kritischen Nutzern des Web 2.0 umzugehen. Die eine eigene Stimme haben oder gerade finden, sich nicht mehr damit abfinden wollen, dass sie die Medien nur als Adressat, Zielgruppe oder Target begreifen. Wer sich für Blogs etc. begeistert, hat verstanden, dass die massenmediale Sender-Empfänger-Mentalität ihre Grenzen hat. Und dass es spannender sein kann, sich mit dem liebevoll gemachten Content eines Blogs oder eines YouTube-Mitgliedes zu beschäftigen, um anschließend womöglich eine eigene Antwort darauf zu produzieren und ins Netz zu stellen.
Die Nutzer des Web 2.0 erkennen immer weniger die alleinige Autorität der großen Medienkanäle an. Und daher sind sie auch immer weniger gewillt, Markenbotschaften als passive Empfänger entgegenzunehmen. Es geht also gar nicht darum, dass es billig ist, wenn man Spots vom User kreieren lässt. Es geht darum, dass das möglicherweise die einzige Art und Weise ist, ihn überhaupt zu erreichen. Denn er sagt sich vielleicht: "Nur wenn ich an der Marke mitstricken darf, ist sie für mich überhaupt interessant."
Ich stimme also Patrick zu, wenn er sagt, dass man im Netz auf die Begeisterung der Nutzer achten und ihnen die Möglichkeit geben sollte, sich zu beteiligen. Aber das muss sich nicht an bestehende Kultsendungen hängen, sondern sollte weiter gefasst sein und sich eher an der eigenen Marke orientieren. Ich stimme Roland zu, dass es nicht leicht ist, das Mitmachen der Konsumenten so zu organisieren, dass jeder etwas davon hat und sich niemand über den Tisch gezogen fühlt. Aber es ist keine billige Art, an Werbung zu kommen, sondern eine Notwendigkeit in Zeiten, in denen Nutzer immer weniger empfangen und immer mehr mitbestimmen wollen. Und auch den Markenmachern stimme ich zu, wenn sie sagen, dass Markenführer Kontrolle über ihre Marke haben sollten. Aber ihnen würde ich gern sagen, dass die Option der einseitigen Kontrolle gar nicht besteht. Durch Mundpropaganda offline und zunehmend auch im Netz machen die Konsumenten ihr eigenes Marketing. Ganz gleich, ob das der Marke gefällt und zu ihr passt oder nicht. Es ist also illusorisch zu glauben, man beherrsche ganz allein die Kommunikation zu einer Marke. Wer einmal mit Freunden in der Kneipe über Auto-, Bier- oder sonstwas für Marken geredet hat, weiß, dass die relevante Marketing-Information nur sehr wenig mit den markengeführten Werbewelten zu tun hat.
Also: die Konsumenten da mitmachen lassen, wo es Sinn hat. Auf sie achten, bei dem, was sie tun - im Netz und anderswo. Und davon lernen und die Marke als evolutionär betrachten. Die Stärke der eigenen Marke immer im Auge haben, aber dabei die Nutzer aktiv einbinden, wo es geht. Co-Creation heißt das manchmal neudeutsch, und es ist ein Balanceakt. Aber es ist der einzige Weg, dauerhaft einen sinnvollen Austausch mit vernetzten aktiven und kreativen Kunden zu haben. Und wenn man das macht, bekommt man kostenlos noch eins oben drauf: positive Mundpropaganda. Das weiß ich aus meiner Forschung.
(Siehe auch meinen letzten Eintrag.)