Ich habe mir jetzt die Kurzfassung (PDF) der Blogstudie vom Lehrstuhl von Prof. Zerfaß mal im Hinblick auf Mundpropaganda durchgesehen. Interessant sind aus meiner Sicht die folgenden Zahlen und Aspekte:
- Ein demografischer Aspekt der Studie ist schon mal spannend. Die Teilnehmer wurden mittels Selbstselektion ausgewählt – mit anderen Worten: die Studie wurde im Netz bekannt gemacht, und wer wollte, konnte teilnehmen. Ergebnis war, dass überwiegend erfahrene Vielnutzer („Trendsetter und Heavy-User des Webs“) die Fragen beantwortet haben: 96% der Befragten sind (mehrmals) täglich im Internet. Interessant daran ist, dass diese Teilnehmer in ihren demografischen Daten offenbar der Internet-Gesamtbevölkerung ähnlich sind. Genauer: die besonders intensiven Nutzer des Internets kommen heute in allen Altersklassen vor und sind männlich wie weiblich. Wenn besonders intensive Nutzung des Internet also mittlerweile in allen Altersklassen stattfindet, dann bedeutet das möglicherweise auch, dass die „Trendsetter“, die sich heute schon intensiv mit Blogs & Co. befassen, vielleicht wirklich Vorreiter sind für eine größere Bewegung, die weitere Teile der Bevölkerung erfassen kann. (Und nicht nur "Blogspinner", die nach Ende des Hypes wieder in der Versenkung verschwingen... ;-)
- 79,8% der Teilnehmer haben erklärt, Blogs zu nutzen (aktiv oder passiv). Diese Leute wurden nach ihren Gründen dafür gefragt. Direkt nach dem meistgenannten Grund (Informationen zu finden, die es in anderen Medien nicht gibt, 66,7%) wurde gleich als zweites die Suche nach oder die Abgabe von Empfehlungen, Tipps und Tricks (52,5%) genannt. Hier steckt meiner Ansicht nach schon viel Mundpropaganda drin. Denn in vielen Fällen braucht man Tipps und Empfehlungen ja vor allem bei Kauf- und Konsumentscheidungen. Etwas weiter unten wurde dann nochmal explizit von 20,9% der Blog-Nutzer geäußert, dass sie konkret Produktinformationen auf Blogs suchen.
- Unter den Bloggern wurde als wichtiger Grund für das Bloggen genannt, dass man damit auch Kritik loswerden kann (26,6%). Auch dies kann natürlich immer Mundpropaganda beinhalten.
- Der Abschnitt zur Typologie der Blognutzer wird eindeutig eingeleitet:
„Blognutzer sind mehrheitlich „investigative Multiplikatoren“ – Konsumenten, die mehr wissen wollen, Informationen aktiv weitergeben und gut vernetzt sind. Die Bedeutung für die Wirtschaft liegt auf der Hand: Blognutzer sind interessante Dialogpartner für Marketing und Unternehmenskommunikation sowie alle, die sich frühzeitig mit gesellschaftlichen Trends, neuen Ideen und kritischen Stimmen auseinandersetzen wollen.“ Die Gruppe der „Aktiven Konsumenten“ unter den Bloggern ist mit knapp 23% dann auch die zweitgrößte, direkt hinter den "Wissensdurstigen" (23,7%). - Corporate Blogs werden von allen Blog-Typen als am wenigsten glaubwürdig angesehen. Unternehmen, die auf diesem Weg den Dialog mit der Blogosphäre aufnehmen wollen, müssen also erst einmal einen Misstrauensvorsprung abbauen. Meine persönliche Auffassung ist, dass dies am besten gelingen kann, wenn Unternehmen nicht unbedingt auf ein „klassisches“ Corporate Blog setzen, sondern stattdessen Mitarbeiterblogs unterstützen, die sich eine eigene Autorität erarbeiten und damit für das Unternehmen relevante Positionen im Netz besetzen. Denn gerade dann, wenn ein einzelner Autor hinter einem Blog auch mit seinem Namen steht, dabei aber seine Verbindung zu einem Unternehmen öffentlich macht, wirkt das Blog positiv für alle drei – Blogger, Blogosphäre und Unternehmen. (Dass dies Fragen in Bezug auf Corporate Identity, die Rolle der PR sowie zur Kontrolle über die Unternehmenskommunikation aufwirft, ist klar. Aber das Thema würde diesen Blog-Eintrag sprengen...)
- Auch beim Auffinden von Blogs hilft die Mundpropaganda: 53,6% geben an, dass sie interessante Blogs durch die Hinweise von Freunden finden.
Mein Fazit: wir können vermuten, dass die heutigen Blognutzer Teil eines Trends sind, der in den kommenden Jahren größere Bevölkerungsteile erfassen wird. Zu diesem Trend gehört, dass Blogs als alternative Nachrichten- und Informationsquelle gegenüber den klassischen Medien gesehen werden. Und dazu gehört ganz selbstverständlich auch, dass Nutzer hier Meinungen, Tipps und Hinweise zu Produkten, Marken und Unternehmen erwarten und erhalten. Die digitale Mundpropaganda findet auf Blogs statt und wird dort von den Nutzern (Autoren wie Lesern) geschätzt und auch gesucht. Sich in diesen Dialog mittels Corporate Blog einzuschalten, ist nicht einfach. In den Unternehmen ist Fingerspitzengefühl dafür notwendig, ein oder mehrere Blogs so zu betreiben, dass damit auch wirklich ein echtes Interesse seitens der Leser bedient wird – es müssen Mehrwerte geboten werden, und wenn es nur die ehrliche Einladung zum Dialog ist. Gelingen kann dies unter anderem durch engagierte Mitarbeiter, die sich für Themen begeistern, selber bloggen wollen und darin vom Unternehmen unterstützt werden.