Die Web2.0igen Beratertypen im Lande: Manche von ihnen sind Blog-Berater und empfehlen jedem Unternehmen, das nicht bei "drei!" auf dem nächsten Baum ist, dringend und möglichst schnell ein Corporate Blog einzurichten. Andere sind längst über das Bloggen als "Thema" hinaus und sehen Blogs als selbstverständliche Angelegenheit, über die kaum noch zu reden lohnt. Aber wer braucht denn eigentlich kein Blog? Gibt's Übersichten, Empfehlungen, Richtlinien, nach denen man gehen kann, um zu entscheiden, dass man kein Blog braucht? Ich versuche mich jetzt mal an ersten Überlegungen dazu...
Grundverständnis von Blogs für diesen Zusammenhang: Blogs sind Einladungen zum Gespräch im Netz, bei denen der Blogbetreiber zwar das Thema für die Diskussion vorgeben kann, nicht jedoch die Richtung, welche die Diskussion nehmen wird.
Damit ist die erste Voraussetzung dafür, kein Blog zu benötigen, dass man sich mit einem Thema befasst, das nicht viel Gespräch erfordert bzw. zu dem sich niemand austauschen mag. Beim Nachdenken darüber muss ich zugeben, dass es mir schwerfällt, eine Branche zu finden, für die das gilt. Spontan mag man meinen, dass ein Klempner oder Handwerker, ein Schuster oder eine Druckerei nicht wirklich Themen bearbeiten, über die es zu bloggen lohnt. Aber selbst wenn das für die Mehrheit der Dienstleister dieser Art zutreffen mag, kann ich mir vorstellen, dass es immer wieder Leute gibt, welche zu den genannten Berufsbereichen interessante Geschichten zu erzählen hätten. Wenn beispielsweise ein Klempner Tipps und Tricks zu Installation und allgemein Sanitärthemen veröffentlichen und interessant aus der Praxis schreiben würde, gäbe es sicher Häuslebauer, die daran Spaß hätten. Und diese wiederum könnten dann auch für Anfragen sorgen, die das Blog kommerziell interessant werden lassen. Genauso gilt, dass ein Schuster sicher viele Dinge über Schuhe weiß, die manch einen Leser interessieren könnten. Denn dem Long Tail Konzept folgend, muss man sich nur an ein ausreichend großes Publikum richten, um genug Menschen zu finden, die sich auch für jede noch so kleine Nische interessieren. Dass auch scheinbar Banales viel Potenzial für Interesse bietet, zeigt der Shopblogger - oder hätte jemand vorhersagen können, dass ein Blog aus einem Supermarkt unter den meistverlinkten Blogs Deutschlands (aktuell Platz 6) zu finden sein würde? Einschränkend muss man dazu allerdings sagen, dass natürlich ab dem Moment, ab dem eine gewisse Anzahl von Bloggern auch in diesen Nischen schreibt, jedes weitere Blog vermutlich nicht mehr viel Interesse generiert. Zwischenfazit: wenn man ein Thema bearbeitet, über das sich wirklich niemand große Gedanken macht oder machen will, dann braucht man kein Blog. (Aber so ein Thema ist - momentan jedenfalls noch - gar nicht mal so leicht zu finden...)
Der zweite Faktor, der eine Rolle spielt: Keinen Blog braucht, wer nicht schreiben kann, bzw. keine Zeit dazu findet. Man kann ein noch so spannendes Thema beackern - wenn man sich nicht gern schriftlich ausdrückt, oder das einfach nicht gut kann, dann sollte man es lassen. Denn ein Blog bringt einem Unternehmen nur dann etwas, wenn es Leser findet, die auch bei der Stange bleiben, und sich vielleicht ab und zu in den Kommentaren äußern, damit eine interessante Gesprächskultur entsteht, denn dafür wird das Blog ja betrieben. (Merke: "Märkte sind Gespräche.") Wenn es einem Unternehmen stattdessen gelingt, seine Beziehungspflege zu bestehenden und potenziellen Kunden auf andere Weise zu organisieren, über Veranstaltungen und Besuche beispielsweise, dann geht es auch sehr gut ohne Blog. Allerdings muss hier einschränkend gesagt werden, dass es immer nützlich sein kann, selbst die drögen Unternehmensnews in einem Blogformat anzubieten, also rückwärts chronologisch und mit RSS-Feed, damit diejenigen Interessenten, Journalisten, etc., die das wünschen, auf bequeme Weise rankommen. So etwas ist dann allerdings im strengeren Sinne wohl kein Blog, sondern mehr eine Presseseite mit Blog-Features. Aber auch für denjenigen, der nicht schreiben kann, gibt es Auswege: vielleicht kann ja jemand deutlich besser reden als er/sie schreiben kann? Dann wäre vielleicht ein Audioblog oder Videoblog auf Podcast-Basis interessant. Als fiktives Beispiel: Kofi Annan hatte in seiner aktiven Zeit als Generalsekretär der Vereinten Nationen sicherlich nicht die Zeit, seine spontanen Gedanken zur Weltpolitik regelmäßig schriftlich für ein Blogpublikum festzuhalten. Denkbar wäre jedoch gewesen, dass er die Gedanken bei sich bietenden kurzen Gelegenheiten in ein Diktiergerät spricht, die dann von Mitarbeitern als mp3s (=Podcast) gepostet werden. Allerdings gilt auch hier: wenn ein Blogger nicht auf Kommentare reagiert, dann ist er eigentlich kein richtiger Blogger. Und selbst wenn also die Podcasts interessant gewesen wären, hätte das mit dem Feedback vermutlich aufgrund des Zeitmangels nicht ordentlich geklappt. Also, zweites Fazit: kein Blog braucht, wer nicht schreiben kann oder will, bzw. wer nicht die Möglichkeit hat, auf die eine oder andere Weise auf das Feedback im Blog zu reagieren.
Der dritte Grund, der aus meiner Sicht dagegen spricht, dass ein Unternehmen ein Blog betreibt: Wenn man an einem Thema arbeitet, mit dem man sich vielleicht nicht der öffentlichen Diskussion stellen möchte. Wer Dinge tut, die besser nicht allzu ausführlich in der Öffentlichkeit besprochen werden, der braucht auch kein Blog. Aber - natürlich - auch hier wieder die Einschränkung: verhindern kann man niemals, dass ein bestimmtes Thema in der Blogosphäre und dann leicht auch an anderen Stellen in der Öffentlichkeit diskutiert wird (Merke: Journalisten sind Blogger.) Wenn man dann kein eigenes Blog hat, wird die Diskussion dort ohne einen selbst geführt, dann man kann kaum so, wie man vielleicht möchte, auf die Kritik reagieren. Aber für viele, die lieber im Verborgenen wirken, ist ja auch das gar nicht unbedingt der Wunsch. Da wird dann eher die These verfolgt, dass es am besten ist, ruhig abzuwarten und Gras über die Sache wachsen zu lassen. Was nicht immer funktioniert. Dennoch, drittes Fazit: kein Blog braucht, wer die öffentliche Diskussion scheut. Auch wenn man damit die öffentliche Diskussion nicht verhindern kann.
So viel ist mir dazu erstmal eingefallen. Gibt's weitere Gründe, kein Blog zu haben? (Könnte ich ja eigentlich mal die ganzen Spezis heute abend beim Bloggertreffen fragen... Ausgeklammert habe ich hier übrigens das Thema "Interne Blogs" - diese sind meiner Ansicht nach häufig sehr nützliche Instrumente für die interne Kommunikation und verlangen einen eigenen Text bzw. eigene Überlegungen. Allerdings nicht auf diesem Blog, denn hier geht es ja um Mundpropaganda.)
Letzte Kommentare