Im dritten Teil meiner Reihe über Jochen Krischs Workshop zu neuen Formen des E-Commerce (zu Teil 1, Teil 2), geht es um den dritten Teil des Workshops: „Nischenmärkte“.
Seine These, dass Nischen anders funktionieren als Massenmärkte, hat Jochen anhand des Long Tail-Ansatzes erläutert: der Long Tail wird üblicherweise von „vorn“ gesehen. Große Unternehmen sind es gewohnt, ihre Hits zu vermarkten und zu verkaufen. Sie beginnen nun zusätzlich damit, den Back-Katalog hinzu zu fügen und unterschiedliche Nischenprodukte und Angebote im Long Tail zu verkaufen. Was geschieht aber, wenn man auf den Long Tail von hinten guckt?
Wenn wir annehmen, dass sich ein Anbieter im Long Tail zuhause sieht, haben wir es mit einem sehr spezialisierten Nischenshop zu tun. Wenn dieser nun sein Angebot ausdehnen will, ohne seine Spezialisierung zu verlieren, hat er die Möglichkeit, flankierend auch den „Short Head“ mit anzubieten, also die Produkte und Gattungen, die eigentlich von den Großen bedient werden. Dies tut der Nischenanbieter, indem er über Affiliate/CPC-Modelle das Angebot von den Großen auf seiner Seite einfach zusätzlich einbindet, ohne sich weiter intensiv damit zu befassen. Auf diese Weise konkurriert der Nischenanbieter nicht mit den Massenanbietern, sondern kooperiert mit ihnen. In seiner eigenen speziellen Nische hat er das, was sonst niemand hat. Er dient als Experte und Führer zu speziellen Produkten für einen bestehenden spezifisch interessierten Kundenstamm. Die Bestseller für die große Masse nimmt er zusätzlich mit ins Angebot, dort wo es passt und Mehrwert schafft – aber nur über Provision, ohne Waren- und Ausfallsrisiko.
So entsteht in Jochens Worten eine Art Reversed One Stop Shopping. Ich fand die Idee sehr interessant und habe sie mit einem Tante-Emma-Laden verglichen, der mit einem Karstadt verbunden ist: der Kunde schätzt die persönliche Betreuung und die Expertise von Tante Emma. Tante Emma empfielt aber auch ab und zu ein Produkt von Karstadt nebenan, und wenn der Kunde hier zugreift, bekommt sie dafür eine Provision. Das Spezialsortiment ist sozusagen der „Standard“, alles andere kommt dazu. Und nicht umgekehrt.
Die Grundidee dabei: „es gibt für alles einen Markt“. Die kleinen Shops und Angebote entstehen, weil Menschen mit Leidenschaft, Einsatz und ständiger Optimierung langfristiges organisches Wachstum hinbekommen (siehe auch die letzten Absätze in Teil 2). Das heißt: diese kleinen erfolgreichen Nischenshops entstehen nicht, weil jemand eine ausführliche Marktanalyse macht, die strategische Ausrichtung bestimmt, mit einem Marketingbudget auf einen bestimmten Erfolg abzielt und dann eine „Hopp oder Top“-Entscheidung fällt. Begeisterung und Initiative bestimmter Individuen sorgen stattdessen dafür, dass die Betreiber solcher Shops gleichsam intuitiv das machen, was Umar Haque fordert (siehe Teil 2), also dass ein enger Austausch mit der Community betrieben wird, und dass man der Community Produkte und Inhalte bietet, über die zu reden lohnt. Die Differenzierung geht dabei nie über den Preis, immer über die Andersartigkeit, Einzigartigkeit und Exklusivität des (Nischen-)Kernsortiments.
Das wäre Teil 3 meiner Einträge zu Jochen Krischs Exciting Commerce Workshop. Mehr zu diesen Themen auf seinem Blog.