Hier kommt der zweite Teil meiner kleinen Reihe über den Exciting Commerce Workshop von Jochen Krisch, den ich kürzlich begleiten und durch eigene Kurzvorträge zu Viral Marketing und Mundpropaganda ergänzen konnte (zu Teil 1). Der zweite Teil unter dem Titel "Webseller 2.0" ging näher darauf ein, was ein Webhändler tun muss, um zum Shop der zweiten Generation zu werden.
Heute sind die meisten Shops noch händlergetrieben, shopzentriert, angebotsorientiert. Jochen erklärt aber, dass hier vielfach das Limit erreicht sei. Wer die Abbruchrate beim Warenkorb optimiert, die Navigation perfektioniert und alle anderen Hausaufgaben gemacht hat, der könne nur noch wenig wachsen – sei es, weil der Markt noch weiter wächst, oder weil das eigene Marketing noch besser wird. Das „klassische“ Online-Shopkonzept sei damit ausgereift, aber daher wohl auch am Ende. Deshalb werden Neckermann oder Quelle nicht mit dem Marktwachstum mithalten. Potenziale sieht er dagegen im E-Commerce 2.0, das kundengetrieben, nachfrageorientiert, verkäuferorientiert ist. Ebay und Amazon wachsen genau hier, denn sie haben auch früher schon die Organisation ihres Absatzes gemeinsam mit den Kunden verbessert.
An dieser Stelle würde ich schon die Brücke zu The Long Tail von Chris Anderson schlagen – der klassische Online-Retailer kommt deswegen nicht weiter, weil die kontinuierliche Ausdehnung der Sortimente im Netz nur dann für die Konsumenten nützlich bleibt, wenn sie sich in dieser Angebotsvielfalt auch weiterhin orientieren können. Das geht aber nur, wenn sie sich gegenseitig dabei unterstützen, eben durch digitale Mundpropaganda im Social Shopping (was ich ja in diesem Eintrag schon mal ausführlich beschrieben hatte). Wenn man den Nutzern aber die Möglichkeit dazu auf der eigenen Seite verweigert, geht diese Optimierungsmöglichkeit bzw. gehen diese Gespräche für das Verbinden von Angebot und Nachfrage schlicht verloren – der Shop verspielt Wachstumspotenzial.
Um diese Potenziale möglichst gut nutzen zu können, braucht man jedoch Überblick. Und dafür verwies Jochen auf Umair Haque, der auf bubblegeneration.com die drei entscheidenden Dimensionen des Social Shopping beschreibt:
1) Network/Community: Users
2) Viral: Peers
3) Distributed: Microchunks
Alle drei Dimensionen müssen in den Konzepten berücksichtigt werden, damit entsprechende Konzepte funktionieren. Aus meiner Sicht war diese Aufstellung erstaunlich. Denn die drei Punkte ähneln frappierend den drei Ansätzen, die ich in meinen Erläuterungen zum Thema Mundpropaganda Marketing nutze, und die ich über den Verlauf von einem knappen Jahr 2004 – 2005 herausgearbeitet hatte: Punkt 1 entspricht bei mir der Beziehungspflege mit einer Community zum Anregen von Mundpropaganda, Punkt 2 entspricht der Verwendung von viralem Kampagnengut, welches verbreitet werden kann, und Punkt 3 entspricht meiner Forderung danach, dass Produkte selbst bereits ein Potenzial zur Ansteckung bieten müssen, damit sie sich selbst verbreiten helfen. Wer also Social Shopping organisieren will, muss letztlich dieselben Stellschrauben beachten, die ganz allgemein für Marketing mittels Mundpropaganda funktionieren. Er muss eine Beziehung zu seiner Community aufbauen und pflegen, er muss Werbung planen, die sich durch Weiterleiten verbreiten kann, und er muss ermöglichen, dass die Produkte und Angebote selber ebenfalls leicht (idealerweise automatisch) verbreitet werden können.
Anhand des Beispiels Zlio hat Jochen dann gezeigt, wie ein Social Shopping Angebot eine Evolution durchmacht, um zu einem funktionierenden Modell zu finden. Begonnen hatte Zlio mit einem Provisionsmodell – Nutzer konnten Freunden und Bekannten online Produkte empfehlen und beim Kauf dafür dann eine Provision erhalten. Das Modell bekam jedoch nur wenig Zuspruch. Daraufhin wurde das Modell unter dem Motto „chacun sa boutique“ (jedem sein Geschäft) dahingehend verändert, dass die Nutzer sich ihre eigenen (Nischen!-)Shops einrichten können. Leute, die sich für ein ganz spezielles Thema interessieren, stellen sich dort einen themenorientierten Shop zusammen. In der Diskussion haben wir dann u.a. darüber gesprochen, dass eine Herausforderung für Zlio darin besteht, über ihre Partner mittelfristig auch wirkliche Spezialgebiete und Nischen abzudecken, zu denen manche Nutzer Shops bauen wollen.
Jochen betonte, dass Webseller Schulungen und Unterstützung brauchen. Je mehr ein Anbieter sich darum bemüht, seine Mittler zu besseren Verkäufern zu machen, desto mehr Erfolg wird er selber haben. ZlioShop beispielsweise hat ein sehr beliebtes Blog. Bei Ebay ist schon lange bekannt, dass es dort intensive Unterstützung für die Power-Seller gibt. Die Zeitschrift Webselling wendet sich bewusst an Endnutzer mit eigenen Shops, und CafePress hat mit „Connect“ kürzlich die erste eigene Konferenz zur Weiterbildung und zum Austausch für seine Shopping-Partner organisiert.
Jochens Fazit zu diesem Teil:
1) Es entsteht eine neue Riege von „privaten“ Online-Verkäufern.
2) Sie sind die eigentlichen Treiber des E-Commerce im Web 2.0.
3) Sie beginnen oft als Semi-Professionals, sind also leidenschaftliche Amateure, die einer Passion folgen.
4) Sie sind (Produkt-)Experten mit hohem (Produkt-)Wissen.
5) Wie kann man ihnen die Tools geben, damit sich ihr Interesse, ihre Begeisterung in E-Commerce-Absatz für das eigene Unternehmen übersetzt?
Ich würde das für mich etwa wie folgt zusammenfassen: mit dem Blogging hat es eigentlich begonnen – eine erstaunlich große Zahl Nutzer hat durch und mit den Blogs erkannt, dass im Web das Oligopol der Medienhäuser auf die Verbreitung von Nachrichten und Meinungen gefallen ist. Aber auch die Blogger sind auf die großen Medienhäuser als Anker und (mehr oder minder) glaubwürdige Instanzen angewiesen. Nun steht vielleicht als nächstes eine ähnliche Revolution beim E-Commerce an: Die Nutzer merken, dass sie selbst zum Teil deutlich besser als die großen Anbieter den Dialog mit einer (spezifischen) Zielgruppe und damit den Verkauf übernehmen können (... Märkte sind Gespräche). Vielleicht mit einem eigenen Blog, vielleicht mit einer anderen Art Internetseite. Aber für das Fulfillment sind auch sie auf die Zusammenarbeit mit größeren Häusern und Shopping-Dienstleistern angewiesen. Diejenigen Shopanbieter, die diese Dynamik erkennen können und zu nutzen verstehen, indem sie eine Beziehung zu entsprechenden Communities aufbauen und sie mit viralen Tools und Produkten versorgen, werden künftig vom Wachstum im E-Commerce überproportional profitieren.
Soviel zu Teil 2. Wer sich für diese Themen interessiert, sei ansonsten wiederum auf Jochens Blog verwiesen.