Ich bin nicht sicher, ob es in dieses Blog passt, aber die Dinge, die derzeit bei StudiVZ ablaufen, scheinen so absurd, dass es letztlich auch in die Katergorie "Online Mundpropaganda" gehört - und damit in dieses Blog. Bei Don Alphonso (dessen z. T. wütendes Dreinschlagen ich üblicherweise nicht sehr schätze) kann man aufwändig recherchierte Geschichten darüber finden, was für wahnsinnige Super-GAUs sich StudiVZ-Chef Ehssan Dariani derzeit leistet. Nach den verschiedenen kommunikativen Tollpatschigkeiten der letzten Wochen ist er vergangene offensichtlich vollständig durchgeknallt und hat Nazi-Symbole für die Einladung zu seiner Geburtstagsfeier verwendet.
Ich habe auch erst in diesem Zusammenhang den Begriff "Quickflip" beim Werbeblogger kennengelernt. Es handelt sich dabei um das, was die Samwer-Brüder (und Partner) vor einigen Jahren schon einmal erfolgreich durchexerziert haben. Als sie während der New Economy Alando als reinen Ebay-Klon gebaut haben, bestand die Idee von Anfang an darin, das Ding so schnell wie möglich zu bauen, um es dann an das US-Vorbildunternehmen für mehrere Millionen zu verkaufen. Das gelang, sie wurden zu den Wunderkindern der deutschen New Economy. Genau dieselbe Strategie sollte nun wohl offensichtlich bei StudiVZ angewandt werden, wo die Brüder auch beteiligt sind.
Dariani scheint sich der Erfolgsaussichten in dieser Angelegenheit sehr sicher zu sein. Das ist an sich ja nichts Verwerfliches, denn das Wachstum der Community legte Optimismus nahe. Verwerflich ist wohl eher, wenn Zuversicht und Optimismus in Überheblichkeit und am Schluss vielleicht sogar in Verblendung umschlagen. Jedenfalls kommt er mit seiner Rolle nicht klar und ist offensichtlich mit der Verantwortung überfordert, die er im Unternehmen trägt. (Es hat eine Entschuldigung gegeben - aber ob dahinter Einsicht steckt, ist schwer auszumachen...) Denn es gab ja keinerlei geschäftliche Gründe - zumindest kenne ich keine - die nahelegen, dass die Sache in die Hose gehen sollte. StudiVZ wuchs und wuchs, hatte den Tipping Point überschritten und war sozusagen ein Selbstläufer geworden. Wenn Probleme am Horizont erscheinen und Grund zur Sorge besteht, dann können manche junge Gründer auch mal ins Schlingern geraten. Aber hier? Gewiss, bei StudiVZ gab es Server-Probleme. Aber das sind ja lösbare Dinge. Keine substanziellen Probleme.
Don Alphonso legt es nun auf jeden Fall darauf an, dass die Geschichten nicht nur hierzulande, sondern auch bei Facebook, dem US-Unternehmen, nach dessen Modell StudiVZ aufgebaut ist, bekannt werden. (Außerdem möchte er die Studis dazu überreden, sich doch ein anderes Verzeichnis zu suchen, weil die Datenschutzerklärung seiner Ansicht nur bis zu dem Moment gilt, an dem Facebook einsteigt.) Und so werden die folgenden Tage zeigen, in welcher Weise die Entgleisungen von Dariani einen Einfluss auf die Verkaufsverhandlungen haben, die offensichtlich derzeit mit Facebook für den "Quickflip" laufen. Viel hängt möglicherweise davon ab, ob die Geschichten in die relevanten Printmedien schwappen. Sollte im Handelsblatt oder in der FTD etwas davon stehen, wäre das wohl ein schwerer Schlag. Bei Indiskretion Ehrensache findet man auf jeden Fall auch passende Bemerkungen dazu. Das wäre mal wieder eine interessante Case Study zur Wirkung von digitaler Mundpropaganda. Robert geht auch davon aus, dass das Verhandlungsblatt gegenüber Facebook jedenfalls deutlich schlechter aussieht. Aber er sagt auch, dass man selbst mit einem schlechten Blatt gewinnen kann. Währenddessen üben sich die StudiVZler in Transparenz und versuchen, verlorenen Boden gut zu machen.
Eigentlich neige ich nicht dazu, Leuten Misserfolg zu wünschen. Deutschland ächzt manchmal zu sehr unter einer Neidkultur, die oft den Erfolg behindert. Anstatt dass Leuten Mut gemacht wird, die auf der Straße des Erfolges zu sein scheinen, wird säuerlich genörgelt und damit gehadert, dass man selber weniger Erfolg hat. Das mag ich nicht, und ich bemühe mich darum, selber keine solchen Neigungen an den Tag zu legen. Wenn allerdings unverantwortlicher Umgang mit Nazi-Insignien ins Spiel kommt, werde ich sehr unruhig. Und neige dazu, entsprechend Verantwortliche für arg verantwortungslos (wenn nicht für dumm und gefährlich) zu halten. Und denen gönne ich auch - ganz ehrlich - keine Millionen.
Nachtrag 23:27 h: Johnny Haeusler bringt es in diesem Kommentar nochmal auf den Punkt, warum es wichtig ist, diese Geschichten zu verbreiten. Damit sich nämlich nicht die Vermutung breit macht, dass man als erfolgreicher Gründer auch alle guten Sitten fahren lassen könne. Und in den Massenmedien ist die Geschichte auch längst... Bin einfach ein wenig langsam...
Nachtrag 00:28 h: