Abgesehen vielleicht von Blair Witch Project ist kaum ein Film im Internet und offline von einem solchen Hype noch vor dem Filmstart begleitet worden wie "Snakes on a Plane". In den USA wird der Sommer 2006 sicher vielen noch lange wegen des Wahnsinns darum in Erinnerung bleiben. Die extrem einfache (fast schon: idiotisch simple) Filmidee, die komplett im Namen des Films ausgedrückt wird, außerdem sicher auch die Mitwirkung von Samuel L. Jackson, haben in den USA Unmengen von Leuten nicht nur zu intensivster Mundpropaganda, sondern vor allem auch zur Partizipation und Mitwirkung angeregt. Es ist ein richtiges Mitmachphänomen daraus geworden: "... at some point, New Line decided to give audiences whatever they wanted."
Nun wird jeder, der Marketing mittels Mundpropaganda, Open Source-Ansätze und virales Marketing empfiehlt, das natürlich großartig finden, fest darauf bauen, dass der Film ein enormer Erfolg wird und anschließend dazu raten, dass eigentlich jeder Film so gemacht werden sollte... Oder vielleicht doch nicht?
Ich wäre vorsichtig. Nur weil man im Marketing die Mitwirkung des Publikums empfiehlt, heißt das nicht, dass die kreative Kontrolle - gerade bei Medienprojekten - aus der Hand gegeben werden soll. Snakes on a Plane ist ein besonderes Phänomen, weil das Projekt letztlich quasi in die Hand des Publikums übergegangen ist, noch bevor das Produkt fertig war. Das kann man mal machen, aber interessante innovative Projekte werden in solch einem ganz offenen Prozess nicht unbedingt dauerhaft entstehen. Wer nicht "nur" Open Marketing, sondern wirklich Open Innovation organisieren will, braucht feiner abgestimmte Mechanismen, die an verschiedenen Stellen des Prozesses unterschiedliche Leute von außen einbinden. Wenn man das gesamte Projekt für alle öffnet, kann nämlich sehr leicht langweiliges Zeug entstehen.
Die Frage ist: was bringt das alles dem Film? In der FTD schrieb am vergangenen Donnerstag Anke Kapels: "Die Einspielergebnisse blieben weit unter den Erwartungen. (...) Das kommt davon, wenn man es allen recht machen will. Und das zeigt, dass das Internet noch weit davon entfernt ist, den Massengeschmack nachhaltig zu beeinflussen." Frau Kapels vertauscht zwar hier Ursache und Wirkung - nicht das Internet beeinflusst den Massengeschmack, sondern die Massen haben über das Internet den Film nachhaltig beeinflusst. Aber sie hat vielleicht damit recht, dass man auf diese Weise eben nicht unbedingt zu einem guten Produkt kommt.
Jackie Huba sah die Sache vor zwei Wochen positiver, sie sagte, dass der Film eigentlich viel mehr Erfolg hat, als er eigentlich aufgrund seiner armseligen Qualität verdient hätte - also doch ein Marketingerfolg: "'Snakes on a Plane' was the number-one movie this weekend, taking in $15.3 million. (...) 'Snakes on a Plane' was a first in many ways and if anything, proved that giving fans a stake in the outcome made the movie more successful than it would have been otherwise. (...) Kudos to SoaP director David Ellis for acknowledging bloggers and fans. The studio didn't get medieval on them. They reached out to bloggers to thank them, invited them to promotional events, and finally invited many of them to the Hollywood premiere."
Ich werde den Film übrigens nicht sehen. Zumindest auf keinen Fall im Kino...