Die NZZ berichtete am 28.7. online über YouTube und Co., unter dem Titel "Die Welt im Spiegel der Video-Botschaften". Interessant das folgende Zitat am Anfang des Textes:
"Eine Schnuppertour durch die Videogalerie kann angesichts des immensen Angebots nur einen subjektiven Eindruck wiedergeben."
Der Satz erweckt den Anschein, als ob ein subjektiver Eindruck eigentlich zunächst "nur" eine Art Behelfslösung sei. Der Journalist möchte am liebsten so etwas sagen wie: Wir beschreiben hier einen ersten subjektiven Eindruck, mehr haben wir noch nicht geschafft, die objektive Betrachtung des Dienstes YouTube und seiner Videos kommt dann später noch, wird sozusagen nachgeliefert. Der klassische seriöse Journalist geht ja davon aus, dass es seine Pflicht ist, eigentlich eine umfassende und objektive Berichterstattung zu leisten. Und prinzipiell ist das natürlich absolut richtig.
Aber: Im Internet, mit all dem User Generated Content und den vielen anderen Inhalten, die sich auf Abermillionen Seiten verteilen - oder auch nur auf einer einzigen wie YouTube - ist es schlicht nicht mehr möglich, eine umfassende objektive Berichterstattung zu leisten. Die klassischen Medienfunktionen, die ein Sichten und Sortieren, Bewerten und Auswählen von Inhalten umfassen, werden mittlerweile mehr oder weniger ad Absurdum geführt. Man muss sich von der Idee, dass man in irgendeiner Weise den Überblick behalten kann, verabschieden. Im redaktionellen Sinne sind letztlich nur noch Schlaglichter und Facettenbeschreibungen möglich (und haben natürlich weiter einen großen Wert!). Die umfassende Sichtung des YouTube-Materials jedoch wird nie gelingen.
Es gibt nur eine einzige Ausnahme, nur einen einzigen Weg, um Sichtung zu leisten: Durch die gemeinsame Intelligenz der User, mittels Tagging (=Verschlagwortung) sämtlicher Inhalte. Wenn jeder User ein wenig mitsortiert, ein wenig mitrankt, ein wenig mitordnet, behalten wir alle ein wenig mehr Überblick. Das ist meiner Ansicht nach letztlich die Essenz der Social Software, oder von Web 2.0. Wer zu diesen Themen sehr durchdachte und hilfreiche Überlegungen lesen will, dem sei The Long Tail von Chris Anderson ans Herz gelegt (hier die Keimzelle des Buches, ein Artikel in Wired). Ich lese das Buch gerade mit großem Interesse und lerne sehr viel dabei.
Außerdem verstehe ich jetzt, warum die (digitale) Mundpropaganda mittlerweile eine solch überragende Bedeutung erhält - denn all die vielen Empfehlungen, Verlinkungen, Verschlagwortungen sind ja nichts anderes als Mundpropaganda. Persönlich habe ich diese Dimensionen kaum erahnt, als ich im Jahr 2000 anfing, mich mit dem Thema zu befassen.