Die epische Dell Hell Saga, die ja schon vor einer ganzen Weile begann, findet nun ein neues Kapitel: Dell hat jetzt ein Corporate Blog gestartet, von dem manch ein Top-Blogger eher enttäuscht ist, unter ihnen auch Jeff Jarvis: kritisiert wird, dass das Blog mehr Werbevehikel als Dialoginstrument sei, also überhaupt nicht das, was ein Corporate Blog eigentlich sein und können soll. Soweit so normal - dass Unternehmen für unbeholfene Blog-Versuche gescholten werden, ist nichts Neues.
Die spannende Facette kommt nun: Dell hat offensichtlich GCI, die PR-Tochter von Grey Global Group, damit beauftragt, in der Blogosphäre ein wenig rumzuschauen, um zu sehen, wie denn so die Stimmung unter den Bloggern ist, nachdem das Dell Blog ins Netz gegangen ist. Wer ein wenig sucht, findet schon den einen oder anderen Ärger mit dem Unternehmen, und stößt dann auch auf Jeff Jarvis' Dell Hell (Google deutsch, Google US). GCI-Praktikant "Chris" hat sich nun so sehr aufgeregt darüber, dass Jeff Jarvis seinen Kunden Dell auf dem Kieker hat, dass er sich jetzt zu einem wirklich unflätigen anonymen (!) Kommentar direkt auf Jarvis' Blog hat hinreißen lassen. Weil's so schön ist, hier meine Übersetzung:
"Hey Jarvis,
ich glaube, ganz ehrlich, dass Du echt arm dran bist*. Mal ganz im Ernst? Bist Du so arm dran in Deinem Leben, oder verbringst Du es einfach nur damit, Dell schlecht zu machen? Ich habe in den vergangenen drei Wochen mit Dell gearbeitet, um armselige Blogs zu recherchieren, die Würmer wie Du in der ganzen verdammten Blogosphäre verteilen, und ich kann nicht ehrlich sagen, dass Dell versucht, den eigenen Kundenservice zu verbessern. Sie stellen Leute wie mich ein, um ins Netz zu gehen und Blogs wie Deinen zu durchsuchen, in der Hoffnung, dass wir Dein Problem finden und beheben können. Aber ganz ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Du ein Problem hast, das Dell beheben kann. Dein Problem ist, dass Du eine arme Sau bist.*"
(*"You have no life" übersetze ich nicht wörtlich - auch wenn das viele tun, ist das keine Redewendung, die im Deutschen existiert.)
Und wie schon damals Björn bei American Express hat in diesem Fall Jeff Jarvis die IP-Nummer des Eintrags untersucht und dabei herausgefunden, dass der anonyme Chris offensichtlich aus einem GCI-Büro heraus seine kleine Hasstirade veröffentlicht hat (dass er dabei einen Tippfehler gemacht und erklärt, Dell würde seinen Kundenservice nicht verbessern, macht die Sache nur noch amüsanter).
Jeff hat sich direkt bei GCI CEO Jeff Hunt per Mail gemeldet und nachgefragt, was das dieser Chris denn für Typ sei. Und so kam heraus, dass es ein Praktikant war (gewesen sein soll?), der da rumgeschimpft hat. Und dass Jeff diese Äußerung keinesfalls darauf beziehen solle, wie Dell oder GCI über Blogger und allgemein über die Kunden denken.
Fazit bei Jeff Jarvis: Kein Unternehmen könne sich mehr darauf zurückziehen, dass es irgendwelche anderen Leute seien, die da gar nicht autorisiert und ungewollt im Namen des Unternehmens sprächen. Er erklärt, dass es unzählige Menschen gebe, die im Kundenkontakt von unzähligen Unternehmen arbeiteten und die bei unzähligen Gelegenheiten jeden Tag ihre Kunden schlecht, unhöflich, unfreundlich behandelten. Und alle diese Menschen sprächen eben doch im Namen des jeweiligen Unternehmens. Früher sei das kaum aufgefallen, denn es habe keinen Weg gegegen, um das transparent zu machen. Heute jedoch sei das anders - nun hätten wir das Web und die Blogosphäre, um alle diese Vergehen in die Öffentlichkeit zu tragen und transparent zu machen.
Prinzipiell hat er natürlich recht. Absoluter Wahnsinn, das ohnehin schlechte Verhältnis zwischen Dell und der Blogosphäre (und insbesondere in Form der Person von Jeff Jarvis) durch eine solche Tirade noch weiter zu belasten. Man kann es kaum falscher machen, im Umgang mit Bloggern. Und ich kann mir sogar vorstellen, dass der (oder die!) zornige Chris nicht nur den eigenen Praktikumsplatz, sondern vielleicht gar den Dell-Etat bei GCI zum Wackeln bringt. Aber: manchmal würde ich mir von Bloggern auch ein klein wenig mehr Menschlichkeit erhoffen. Im Namen der Transparenz wird jeder Fehltritt eines "Unternehmensvertreters" genüsslich breit getreten. Selbst wenn jeder einzelne von uns auch mal schlechte Tage hat, und auch mal mürrisch am Telefon ist, oder einem anderen Menschen unrecht tut. Auch Blogger... ;-) Das nicht zu vergessen, halte ich für nicht ganz unwichtig. Natürlich sollen Unternehmen mit menschlicher Sprache sprechen, klar kommunizieren und zu ihren Fehlern stehen. Und wenn sie beim Rumpöbeln anonym (zu) bleiben (versuchen), dann ist das ganz schlechter Stil. Aber auch das sind eben alles nur Menschen, und keine perfekten Maschinen.
Gefunden bei und hingeweisen von Björn, vielen Dank. Dazu auch: Richard Edelman.