Da es ja in Kopenhagen mit dem Live-Bloggen nicht ganz so funktioniert hat (was z.T. wohl auch an meinem Rechner lag – andere Leute saßen neben mir und kamen deutlich besser ins Netz... Björns einfache Erklärung war natürlich, dass ich einen PC habe und die anderen alle Macs... Das erscheint mir aber nicht wirklich plausibel... Wobei frappierend war, wie einig man sich in der reboot-Geek-Community zu sein schien, dass man gefälligst mit einem Apple-Notebook am Start zu sein hat. Als PC-Nutzer war man fast schon in Rechtfertigungsnot...), nun hier ein paar Auszüge aus meinen Beobachtungen und Erlebnissen vom zweiten Tag.
Der ersten Vortrag, den ich mir angehört habe, wurde von Jean-Francois Groff gehalten. Der Mann hat offensichtlich damals mit Tim Berners-Lee die Entwicklung des Hypertext mitgestaltet und konnte vor allem anschauliche und unterhaltsame Geschichten vom CERN und von Berners-Lee erzählen. Am interessantesten fand ich dabei, dass er an einer Stelle in seinem Vortrag auf eine aus seiner Sicht damals nicht nachvollziehbare Entwicklung des Web hingewiesen hat: er habe nie so ganz verstanden, warum die ersten Browser, die zu Beginn des Webs entwickelt worden seien, nur erlaubt hätten, Texte von Servern zu lesen, aber nicht selbst direkt welche auf ihnen zu verfassen und zu veröffentlichen. Und so sei das, was wir heute häufig Web 2.0 nennen, eigentlich nur die Entwicklung des WWW, die es eigentlich immer schon hätte geben sollen: dass nämlich jeder nicht nur Seiten aus aller Welt ansehen, sondern dass jeder eben auch Seiten für alle Welt publizieren könne.
In den verschiedenen Pausen bin ich immer mal wieder bei Johnnie Moore gelandet, der draußen in der Sonne regelmäßig in interessanten Gesprächsrunden saß. Als wir über die überwältigende Vielfalt von Information sprachen, die heute jeder von uns zu managen, aufzunehmen, zu verarbeiten versucht, waren wir uns einig, dass es eigentlich überhaupt keinen Sinn hat zu versuchen, alles zu kennen und alles zu wissen. Stattdessen ist es wichtig, ein offenes Auge für all das zu haben, was man nicht wissen kann, um zur entsprechenden Zeit und an der richtigen Stelle eben auch anerkennen zu können, wenn man etwas nicht weiß. Und eher zu wissen, wen man zu den Dingen befragen kann, die man selbst nicht weiß. In Johnnies prägnanten Worten: „Fuck knowledge management. It’s ignorance management that we need.”
Doc Searls hatte die große Keynote des zweiten Tages. Ausgehend von Cluetrain sprach er unter anderem davon, welchen segensreichen Effekt es hat, wenn Geschäftsbeziehungen wieder zu Austauschbeziehungen werden und nicht nur Sender-Empfänger-Angelegenheiten sind (wie beim Massenmarketing). Er wies u. a. darauf hin, dass dann, wenn in einem geschäftlichen Austauschverhältnis mehr Zeit auf Beziehungspflege und Verhandeln verwendet wird, die Beziehung selbst umso stärker eine Rolle spiele und der Verkäufer desto eher bereit sei, mit dem Preis runterzugehen. Der Käufer dagegen sei viel eher geneigt, mehr zu bezahlen. Zitat: „the real killer app is relationships“.
Dann hat er recht viel Zeit darauf verwendet, den Unterschied zwischen dem „Live Web“ und dem „Static Web“ herauszuarbeiten, festgemacht am Unterschied zwischen Technorati und Google. Technorati habe seine Geschichte im „Live Web“, Google komme noch aus dem statischen Netz, in dem dauernde Aktualisierung und minutengenaues Abbilden von neu entstehenden Inhalten nicht relevant sind. Laut Searls entfernen sich das Static Web und das Live Web mittlerweile immer weiter voneinander (was ich aus meiner persönlichen Erfahrung weiß – ich bewege mich selber überhaupt nicht mehr auf statischen Seiten und finde sie auch völlig uninteressant). Das Static Web drehe sich um statische Seiten, Darstellungen, Festhalten. Das Live Web dagegen versuche letztlich vor allem, auf „Lebensäußerungen“ zu achten, auf Pings, also Meldungen von Menschen, die sich damit in der digitalen Welt melden. Er nannte das Live Web auch eine „Declaration of Independents“. Es sei per Definition unfertig, provisorisch, imperfekt. Wie das Leben. Dabei hat er auch darüber gesprochen, dass Business im Live Web anders funktioniert: "On the live web, the demand side is supplying itself." Mit anderen Worten: wir machen hier untereinander aus, was wir brauchen, wer es liefert, und was daraus wird. Es gibt kein Marketing mehr, nur noch Beziehungspflege und anschließend Kaufhandlungen: "In the live web, the value chain is replaced by the value constellation." (Diese letzten beiden Zitate habe ich nicht vor Ort mitgeschrieben, sondern abkopiert.)
Sehr lustig war ein Tipp, den er zur Wikipedia gegeben hat. Er meinte, dass er immer dann, wenn er ein gutes Zitat aus der Wikipedia brauche und nicht finden können, selbst die entsprechende Seite in der Wikipedia editieren und sein gewünschtes Zitat hineinschreiben würde. Dann könne er anschließend bestens daraus zitieren.
Abschließend kann ich noch festhalten, dass bei der reboot kein Mensch über Blogs gesprochen hat. Kein Wunder - jeder, der dort war, war im Bilde. Es galt stattdessen darüber zu sprechen, in welche Richtung die Dinge sich bewegen, wenn man Blogs für eine Selbstverständlichkeit hält.
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