Heute habe ich einen Vortrag inkl. Diskussion in München gehalten, vor den Vertretern zweier großer deutscher Marken. In der Diskussion ging es dann vor allem um die Idee der Partizipation und Mitwirkung von Konsumenten an Marketingprozessen im Internet. Denn diese bewirkt, das wissen wir, positive Mundpropaganda. Dabei wurde dann auch die Frage gestellt, was denn mit dem "Mythos" der Marke passiere - eine Marke werde doch auch dadurch begehrlich, dass sie zunächst vor allem ohne Mitwirkung der Konsumenten (also durchaus distanziert von ihm) neue spannende Angebote entwickele, die den Kunden dann begeistern, überraschen, ansprechen sollen. Und das könne doch nicht gelingen, wenn der Konsument in großem Maßstab an allen Stellen im Prozess involviert ist.
Ich will nicht abstreiten, dass es sicher notwendig ist, dass die Marken manche Dinge auch als Überraschung und als Innovation inszenieren, um Kunden zu begeistern. Dennoch, zwei gute Gründe sprechen dafür, in jedem Fall die Partizipation von Kunden oder Konsumenten an Marketingprozessen deutlich intensiver zu organisieren:
- Auch wenn es um Innovationen geht oder um hochwertige Markendarstellungen, sollte man ausgewählte (potenzielle) Kunden frühzeitig in den Prozess mit einbinden. Denn so kann man diese Leute zu Anwälten im Sinne der Marke machen. Man nimmt ihnen den Wind der Kritik aus den Segeln, wenn sie schon zu einem frühen Zeitpunkt Teil des Prozesses waren. Man kann auch durchaus zunächst Stillschweigen von ihnen erbitten, das erhöht aus meiner Sicht nur die Bereitschaft, über eine spannende neue Markeninnovation zu einem gegebenen Zeitpunkt dann auch zu sprechen.
- Der Mythos Marke ist letztlich oft auch ein bisweilen naiver Traum der Marketingverantwortlichen. Und das merkt Coca-Cola gerade wieder sehr deutlich. Anstatt Coke Light als hohe Kunst der diätischen Erfrischung zu ehren, werden damit Springfontänen gemacht. Sehr lustig, finde ich. Und die Reaktion der Coke-Leute ist das klassische Beispiel für unzeitgemäßes Kontrolldenken über Marketing und Kommunikation. Was nicht der Markenpersönlichkeit (was immer das ist...) entspricht, muss schlecht sein. Was ist denn, wenn die Kunden über das Vehikel "Mentosfontäne" aus Coke Light eine Urban Legend machen, die noch in dreißig Jahren für Spaß auf Kinderparties sorgt? Dann ist das nicht im Geist der Marke? (Hierzu auch nochmal passend: Brand Hijack von Alex Wipperfürth) Von dieser Kontroll-Freak-Mentalität müssen sich die großen Marken langsam aber sicher verabschieden, denke ich. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute findet unglaublich viel Marketing statt, das kein Markenverantwortlicher steuern oder kontrollieren kann. Denn es geschieht in unzähligem privatem Austausch zwischen Menschen. Wer da meint, seine Marke noch komplett unter Kontrolle zu haben, der irrt. Man kann sich nur noch darum bemühen, mit den Leuten, die sich für die Marke interessieren, einen möglichst intensiven Austausch zu pflegen. Denn die Marke existiert nur dann, wenn sie in den Köpfen der Kunden existiert.
Ein Vertreter aus dem Termin heute erzählte von einem Internet-Forum, das von der Marke selbst organisiert worden war, und auf dem es sehr viel Austausch unter den Kunden/Nutzern gab. Nur die Markenverantwortlichen selbst hätten sich (warum auch immer) extrem zurückgehalten. Immer dann, wenn sie aber selber doch etwas gepostet hätten, seien die Reaktionen und die Resonanz extrem positiv ausgefallen. Eine bessere Illustration dafür, dass es außerordentlich positive Effekte hat, wenn man direktere Interaktion und Dialog mit seinem Publikum sucht, hätte ich selber gar nicht geben können.