Gestern hatte ich verschiedene Gespräche mit unterschiedlichen Leuten, die in der einen oder anderen Weise mit Blogs und Bloggern zu tun haben. Entweder weil sie selber bloggen, oder weil sie im Marketing arbeiten und daher auf Blogs achten, oder weil sie gern Blogs lesen. Und ganz unterschiedliche und voneinander unabhängige Leute haben ganz einhellig eine ganz ähnliche Meinung vertreten: dass ihnen der Tanz um das "goldene Kalb Bloggen" innerhalb der Blogosphäre (dabei vor allem unter den sogenannten A-Bloggern und insbesondere durch die Opel-Geschichte) mittlerweile richtig auf den Geist geht.
Und es ging bei allen dreien dabei nicht um Neid, der bei vielen anderen in der Diskussion durchscheint, weil dieser Blogger jenes Auto testen darf, oder warum Herr Sowieso jene Reise bezahlt bekommen hat und Frau Dingenskirchen etwas anderes. Es geht vielmehr um die Engstirnigkeit, mit der viele Leute, die sich mit Blogs befassen, das ganze Leben nur noch durch die Blogbrille zu sehen scheinen. Jeder Furz, den jemand tut, wird darauf abgewogen, ob man ihn sofort bloggen, beißend kommentieren, "draufhauen", oder sonstwas damit blogmäßig machen muss. Das Denken findet nur noch in Blogkategorien statt; jeder Kellner, der einen schlechten Tag hat, wird als potenzielles Blogfutter geortet, selbst der schlechte Automechaniker der Freundin vom Kollegen muss auch noch im eigenen Blog stattfinden, da man ja selber nichts erlebt. Wie auch - man bloggt ja nur noch... Dabei entsteht aus einer Diskussion leicht eine Endlosspirale, die sich in ein sinnentleertes Nirvana hochschaukelnden kann, um letztlich ganz ganz wenig Inhalt.
Denn auch wenn manch einer meinen mag, dass die Freiheit der deutschen Blogosphäre in Gefahr sei, weil Coca-Cola verschiedene Blogger in ein Fußballwohnzimmer einlädt oder eben Opel eine eher langweilige Kleinwagenkutsche für minimalen finanziellen Aufwand an vier Blogger verteilt (die danach auch noch richtig aus dem Häuschen sind, weil das Radio z.B. allen Ernstes RDS hat - das ist das, was mich wundert - auch wenn man selber kein Auto hat, kann man doch mittlerweile wissen, dass es dieses Feature nun seit bald 10 Jahren in jedem Auto gibt...?), sollte man - um ein "beliebtes" Kanzlerwort zu benutzen - vielleicht einfach mal etwas ruhig und mit der Kirche im Dorf bleiben. Blogger sind trotz allem auch nur Leute, die private persönliche (zur Korrektur siehe) Homepages betreiben. Mehr Legitimation haben sie nicht. Warum soll jemand, der eine private persönliche Homepage hat, mit einem Mal dank Neutitulierung "Blogger" einer mystischen neuen Gattung Mensch zugerechnet werden, die das Universum aushebeln und die Welt verändern wird?
"Ich habe in den vergangenen vier Wochen kaum die Zeit gefunden, mich mit meinem Feedreader zu beschäftigen, und ich muss sagen, das ist echt befreiend." So sagte gestern ein Kollege, und ich kann ihn verstehen. Ich habe einen Vorschlag für Leute, denen das ganze Top-Blogger-Geschrei und die Selbstbeweihräucherung ein wenig zu viel werden: Man kann auch weniger auf die Feld-Wald-Wiesen-A-Blogger achten, die ja häufig von nichts eine Ahnung haben, aber zu allem eine Meinung, und stattdessen nach Themenblogs schauen. Ich persönlich befasse mich eigentlich hauptsächlich mit Blogs zum Thema Marketing. Denn Marketing ist mein Job und das Feld meiner Forschung. Und in diesem Bereich läuft die Diskussion häufig deutlich gesitteter und gehaltvoller ab, da wird weniger gepöbelt und mehr berichtet, es wird weniger geschimpft, dafür mehr diskutiert. Und so wird es auch zu anderen Themen - sei es Hobby, sei es Beruf - kleine aber feine Liebhaber-Blogs geben, die sich auf bestimmte Bereiche und Themen konzentrieren und da immer wieder feinste Dinge zu Tage fördern. Das kann ganz entspannend sein.
Oder man lässt es einfach eine Weile mit den Blogs und setzt sich auf die Wiese, mit einem Buch.