Im vergangenen Jahrhundert haben die US-amerikanischen Werbeagenturen weltweit den Markt überrollt und sich so gut wie überall in die Rolle der einflussreichsten Werbenetzwerken katapultiert. Wenn wir nicht aufpassen, kann sich das im Bereich des "Marketing mittels Mundpropaganda"/Viral Marketing wiederholen.
Die US Federal Trade Commission - von einer Konsumentenschutzgruppe zu Maßnahmen gegen Mundpropaganda-Marketing-Firmen angeregt - war bei der gestern endenden WOMMA Word of Mouth Basic Training Konferenz (WOMBAT) durch ihren Assistant Director Thomas B. Pahl vertreten. Dieser hat offensichtlich die Sorgen der Anwesenden, dass es rechtliche Schritte gegen Mundpropaganda-Marketing geben könnte, zerstreut. Danach klingt jedenfalls ein ClickZ-Artikel zum Thema. Als Grund wird vor allem das starke Engagement von WOMMA bei der Entwicklung und Verbreitung ihres Code of Ethics genannt. Außerdem macht der Artikel einen Verweis auf die veränderten Richtlinien bei BzzAgent und Dr. Carls Forschung dazu.
Diese Vorgänge zeigen, dass der WOM Markt in den USA inzwischen eine nicht zu unterschätzende Reife erreicht hat - die erfolgreiche Anerkennung der Arbeit von Dienstleistern in diesem Bereich durch die FTC ist sicherlich eine Art Meilenstein, der den Unternehmen hilft, ihre eigene Arbeit besser zu verkaufen. Hinzu kommt: wenn man sich beispielsweise den WOMBAT-Blog ansieht, wird deutlich, dass die Amerikaner extrem offensiv die Professionalisierung dieser Branche vorantreiben - entweder durch wirklich interessante Cases, oder durch wirklich gute Selbstvermarktung. Außerdem, weil sie ständig voneinander lernen und sich intensiv austauschen.
In Deutschland haben diese Techniken und Prinzipien weder annähernd den Verbreitungsgrad noch die öffentliche Wahrnehmung wie in den USA. Es wird spannend sein zu beobachten, ob in diesem Bereich in zwei, drei Jahren dasselbe passiert wie vor einigen Jahrzehnten in der Werbeindustrie: von den extrem professionalisierten US-Werbenetworks wurden damals im Rahmen der Internationalisierung entlang der Arbeit ihrer Kunden eigene Depandancen in der ganzen Welt aufgebaut, die sehr schnell überall die nationalen Agenturen an die Wand gedrängt oder übernommen haben. Allein daher spielen die großen Agenturnamen - BBDO, Grey, TBWA, Y&R oder DDB - weltweit so eine große Rolle - gegen die professionalisierten Werber aus diesen Häusern war damals national "einfach kein Kraut" gewachsen (gern doppeldeutig zu verstehen... ;-). Das kann sich im Bereich Word of Mouth Marketing durchaus wiederholen. Und es wird dann viel schneller gehen als damals. Denn sobald die großen Konzerne feststellen, dass man mit WOM Marketing etwas bewegen kann, werden sie das auch in anderen Ländern haben wollen. Und schon sind BzzAgent, Nielsen BuzzMetrics, und all die anderen hier.
Wie weit der Markt in den USA ist, hat Todd Tweedy anhand von Forschung seiner Firma BoldMouth und Osterman Research gezeigt. Daraus geht unter anderem hervor, dass immerhin 28,6% der befragten US-Unternehmen einen etablierten WOM-Marketing-Plan haben. Die Zahl erscheint mir erstaunlich hoch - wenn mehr als ein Viertel aller US-Unternehmen bereits das Thema "Mundpropaganda und Marketing" in ihren Marketingplänen verankert hätten, wäre das bemerkenswert. (Eine Meldung zur Studie findet sich bei Daily Research News, und die gesammte Pressemeldung hat Tweedy in sein Blog gestellt.)
Wenn die deutsche Marketingbranche nicht damit beginnt, eigene Angebote in dem Bereich zu entwickeln, oder ihre eigenen Angeboten mehr Sichtbarkeit in der Presse und mehr Nachdruck zu verleihen, dann wird sich die Geschichte wiederholen: BzzAgent Global Group und Electric Artists Worldwide werden die nationalen Anbieter platt machen.