Da viele Leute immer wieder nach einer Definition des Begriffes suchen, und da es eigentlich keine richtige eindeutige Antwort auf die Frage danach gibt, biete ich folgend einen kleinen Abriss an, der ein wenig historisch erläutert, woher der Begriff eigentlich kommt, und wieso es eigentlich keine richtigen Definitionen gibt. Vielleicht ein wenig lang für einen Blog-Post, aber andererseits gibt es dafür ja auch keine richtig festen Regeln:
Definition Viral Marketing: Die Praxis bietet keine einheitliche Auffassung
Eine einheitliche und allgemein anerkannte Definition des Begriffes Viral Marketing (auch Virales Marketing oder Virus Marketing genannt) vorzulegen, wird zurzeit noch dadurch erschwert, dass sich der Begriff bislang vornehmlich in der Praxis des Marketings verbreitet hat. Die Folge ist, dass unterschiedliche Praktiker zum Teil ebenso unterschiedliche Vorstellungen von der Bedeutung des Begriffes haben und verbreiten; jeder meint, seine eigene Leistung und seinen eigenen Ansatz als den einzig wahren und richtigen darzustellen, der natürlich auch die entsprechenden Beratungshonorare wert ist... Es gibt dagegen noch keine allseits anerkannte Quelle, auf die sich die Mehrheit bezieht, beziehen möchte oder beziehen könnte.
Die Ursprünge
Die Bezeichnung kommt aus den USA. Sie tauchte vermutlich im Jahr 1989 zum ersten Mal auf, als die epidemische Ausbreitung des Apple Macintosh SE innerhalb eines Unternehmens in der Zeitschrift PC User beschrieben wurde. Der Citibank-Mitarbeiter John Bownes sagt in dem Artikel: „It’s viral marketing. You get one or two in and they spread throughout the company." 1996 wurde die Bezeichnung in einem Artikel in Fast Company von Jeffrey Rayport verwendet, unter der Überschrift „The Virus of Marketing“ empfahl Rayport Viral Marketing als Antwort auf die Herausforderungen des Zeitalters nach dem Massenmarketing: „Every marketer I know is desperately searching for the new approach to marketing in the post-mass-market economy. It's time to stop shying away from the ominous sound of it and embrace the enemy: viral marketing or v-marketing, if the term is too harsh.” Und zu Weltruhm kam der Begriff schließlich durch die Fallstudie Hotmail, die von den beiden Venture Kapitalgebern Steve Jurvetson and Tim Draper in einem mit „Viral Marketing“ betitelten Artikel im Jahr 1997 beschrieben wurde: “Viral Marketing captures the essence of multi-level-marketing and applies it to all customers – the "word-of-mouth" spread of the Hotmail message is involuntary. And it's more powerful than many other marketing techniques that lack the implied endorsement from a friend.”
Im englischsprachigen Raum: Einfluss auf digitale Mundpropaganda
Spätestens seit diesem Artikel setzte sich im englischsprachigen Raum die folgende Auffassung durch: Viral Marketing befasst sich damit, Markenbotschaften, Produktnachrichten und -innovationen so aufzubereiten, dass sie sich über das Internet durch das Weiterleiten bzw. Weiterempfehlen der Nutzer möglichst mit exponentiellen Wachstumsraten verbreiten. Unterschieden kann man dabei zwischen Produkten und Dienstleistungen, deren Nutzung selbst virale Effekte auslöst – bei denen also der virale Effekt „in das Produkt eingebaut ist“, und sogenannten viralen Kampagnen. Bei letzteren ist es allein die werbliche Kommunikation über das Produkt, die sich fortpflanzt. (Der englischsprachige Wikipedia-Eintrag fokussiert sich daher auch vornehmlich auf die Online-Variante.)
Ein Beispiel für virale Produkte im obenstehenden Sinn sind das erwähnte Hotmail (der Empfänger erfährt automatisch über das Produkt, indem der Sender es verwendet) oder der VoIP-Telefonservice Skype (damit ein Nutzer einen anderen zum gemeinsamen Telefonat einladen kann, ist es hilfreich, letzteren mittels E-Mail auf den Software-Download im Netz hinzuweisen). Virale Kampagnen dagegen sind besonders in Form von per E-Mail verbreiteten Werbefilmen bekannt, von denen manche auch Jahre nach ihrem ersten Versenden noch durch das Internet geistern. Viral Marketing wird also in den USA und auch in England üblicherweise als eine Art der Beeinflussung digitaler Mundpropaganda im Sinne der eigenen Kommunikationsziele aufgefasst. Zunehmend rücken dabei Weblogs, als Instrumente zur Verbreitung von Botschaften, ins Zentrum des Interesses der Marketingverantwortlichen.
In Deutschland eher ein Dachbegriff
In Deutschland wird der Begriff Viral Marketing dagegen häufig etwas weiter gefasst. Das hat vor allem sprachliche Gründe. Marketing mittels Mundpropaganda und ganz allgemein der Versuch, das gerade aktuelle „Stadtgespräch“ im Sinne der eigenen Marke zu dominieren, wird in den USA bereits seit langem betrieben. Es gibt dafür noch andere Begriffe, wie beispielsweise „Word of Mouth Marketing“ (eher als Dachbegriff) oder „Buzz Marketing“ (hinzu kommen weitere Bezeichnungen für spezielle Praktiken, so z.B. Stealth Marketing, Evangelism Marketing, oder Influencer Marketing). Diese weisen nicht dieselbe Internet-Fokussierung wie Viral Marketing auf, ähneln sich jedoch alle darin, dass sie sich in der einen oder anderen Weise um das Beeinflussen von Mundpropaganda bemühen. In Deutschland dagegen ist die Vorstellung, dass man auf Mundpropaganda einen irgendwie gearteten gestaltenden Einfluss ausüben kann, noch weitgehend unbekannt. Die oben genannten Bezeichnungen Buzz Marketing und Word of Mouth Marketing lassen sich außerdem nur unzureichend eindeutschen, und so hat sich – zumindest bei einigen Fachleuten – die Überzeugung durchgesetzt, dass es hier vielleicht sinnvoll ist, Viral Marketing als Dachbegriff für alle Aktivitäten zu nutzen, die Mundpropaganda im Sinne des Marketing beeinflussen wollen.
Das kürzlich erschienene Buch „Viral Marketing“ von Sascha Langner bietet dem entsprechend auf Seite 25 die folgende Definition: „Viral Marketing umfasst das gezielte Auslösen und Kontrollieren von Mund-zu-Mund-Propaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistungen. Viral Marketing baut auf den Forschungsergebnissen unterschiedlicher Wissenschaftszweige wie etwa der Psychologie, der Sozialwissenschaften oder der Evolutionstheorie auf und integriert Erfahrungen der unternehmerischen Praxis. Dadurch entstand in den letzten Jahren ein Arsenal an Strategien und Taktiken zur Planung, Durchführung und Kontrolle von Marketingaktionen, die gezielt soziale Epidemien auslösen sollen. Der Term „viral" verdankt seinen Namen einer Assoziation aus der Medizin. Wie ein Virus sollen sich Informationen über ein Produkt oder eine Dienstleistung innerhalb kürzester Zeit von Mensch zu Mensch verbreiten.“
Mundpropaganda und Marketing
Entscheidend ist letztlich nicht unbedingt, ob man Virales Marketing ausschließlich auf das Internet beschränkt, oder ob man auch die Arbeit mit Mundpropaganda-Effekten in der Offline-Welt mit einschließt. Entscheidend ist, dass Unternehmen langsam beginnen, die wachsende Bedeutung der Mundpropaganda für den Geschäftserfolg zu erkennen, und sich darum zu bemühen, gestaltend im Sinne der eigenen Ziele darauf einzuwirken.