In der W&V vom 03.11. steht ein interessanter Artikel. Unter dem Titel "Es geht auch ohne" werden Marken beschrieben, die in Deutschland Erfolg haben und sich entwickeln, ohne Werbung zu nutzen. Beispiele sind Thalia-Buchhandlungen, der Modeschmuckanbieter Bijou Brigitte, oder die Firma Glaskoch, bekannt für ihre Leonardo-Glasprodukte. Die genannten sind insbesondere durch eine sehr starke und konsequent gepflegte Retailstärke erfolgreich - wer in Shopping-Centern seine Präsenz ausbaut und pflegt, kann damit natürlich viel bewegen.
Dazu wird aber auch über die Biermarke Oettinger geschrieben, und da ist ganz klar, dass die Marke vor allem wegen seiner vielerorts entstehenden Fan-Gemeinden so großen Erfolg hat - das, was Jackie Huba und Ben McConnell Consumer Evangelists nennen: Leute, die solche Fans der Marke sind, dass sie andere begeistert auch zu "konvertieren" suchen.
Erreicht hat Oettinger das vor allem durch konsequent niedrige Preise - in Zeiten der Geizmentalität ein guter Grund für viele Leute, eine Marke spontan auszuprobieren. Im Artikel heißt es, Oettinger sei das "national preiswerteste Markenbier" (Zitat von der Internetseite). Wenn Leute das Produkt aus Neugier ausprobieren und feststellen, dass es nicht schlechter schmeckt als eins der "großen Premiumbiere", dann haben sie "auf eigene Faust" einen Geheimtipp entdeckt. Das ist viel mehr Wert, als wenn man durch Werbung dazu "verdonnert" wird. Es entsteht eine besondere Form der Loyalität, denn diese Kunden können sich das Produkt - ganz wie von Alex Wipperfürth in Brand Hijack beschrieben - selbst zu eigenen machen: Sie können ihm eine Markenbedeutung im eigenen Leben geben, die nicht vom Unternehmen diktiert, sondern selbst entwickelt wird. Das wird von den Oettinger-Leuten nur ganz subtil unterstützt, indem ein paar Merchandising-Produkte gemacht und die Fans auch im Netz unterstützt werden. Auf der Internetseite heißt es dazu u.a.: "Wir freuen uns ganz besonders darüber, daß sich bereits einige OETTINGER Fan-Clubs gebildet haben. Die Aktivitäten sind genauso vielschichtig wie unsere Kunden und reichen vom Seifenkisten-Racing-Team, über Schrebergartenfreunde bis hin zu Musikgruppen."
Auf diese Weise schafft Oettinger Bier mittels einfacher Mittel und eindeutiger Positionierung mehr positive Mundpropaganda, als die ganzen ehemaligen Giganten mit ihren Millionen an Fernsehwerbung bewegen können.
Und dass es diese Mundpropaganda tatsächlich gibt, weiß ich aus eigener Erfahrung. Vor 6, 7 Jahren konnte mit meinem Nachnamen niemand etwas anfangen. Heute höre ich häufiger, wenn ich ihn nenne "Ach, Sie haben aber nix mit dem Bier zu tun, oder?" Angenehmer Nebeneffekt: die Leute schreiben ihn inzwischen auch häufiger richtig - nämlich mit OE und nicht mit Ö.
Ach so - nein, ich habe absolut nichts mit der Biermarke zu tun.