Kann man Mundpropaganda messen und danach abrechnen? Es erscheint mir alles noch ein wenig schräg, aber die WOMMA-Leute geben jetzt richtig Gas und haben ihre WOMUnit in die Öffentlichkeit hinausposaunt. Im Bemühen, Mundpropaganda als einfach buchbares und messbares Medium - wie andere Kommunikationskanäle auch - darzustellen, haben dort Leute aus den verschiedenen beteiligten Agenturen und Forschungsfirmen monatelang über Messbarkeitskriterien gegrübelt. Ziel ist es, eine ähnliche Standardisierung zu erreichen, wie damals im Internet mit den Standard-Banner-Typen.
Die WOMUnit soll dabei eine Einheit "marketing-relevanter Informationen sein, die unter Konsumenten oder Kunden ausgetauscht wird". Eine Reihe weiterer Faktoren soll die WOMUnit näher beschreiben: Passung zur gewünschten Marketing-Message, Polarität (positiv oder negativ), Klarheit und Tiefe (beschreibt, wie überzeugend eine bestimmte WOMUnit ist). Dazu gibt es Teilnehmer, die sich unterteilen in Entwickler, Sender und Empfänger. Diese Leute unterscheidet man nach ihrer Neigung zu WOM, ihren demografischen Daten, nach ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer Reichweite. Desweiteren wird als Aktion definiert, wenn Teilnehmer eine WOM-Nachricht erschaffen/entwickeln, weiterleiten oder darauf reagieren. (Alles meine Übersetzungen der englischen Termini.)
So. Und das soll nun alles erfasst und gemessen werden. Und danach wird dann auch abgerechnet. "Aha. Die Kampagne hat 13211 positive WOMUnits gebracht. Macht also $ 42.000."
Ganz ehrlich: ich habe das alles noch nicht im Detail lesen können (detailliertere Unterlagen liegen mir noch nicht vor, und manches wird auch erst bei der entsprechenden Konferenz vorgestellt), aber mir kommt das ziemlich absurd vor. Genauer gesagt, denke ich mir dreierlei dabei:
- Mit solchen Richtlinien wird man womöglich überhaupt nicht ernst genommen und stellt sich auch noch selber Fallen. Welcher Dienstleister kann denn den oben gemachten Kategorien gemäß seine Mundpropaganda-Maßnahmen messbar machen? Und wie soll das vernünftig gelingen? Überwachung und Abhöranlagen? Und stellt Euch doch mal bitte die Meetings dazu vor: "Jim, wenn es uns gelingt, glaubwürdigere Teilnehmer auch offline zu stärkerer Frequenz ihrer Aktionen zu bewegen, dann könnten wir in jedem Fall die Anzahl der WOMUnits steigern." "Ted, Du hast nicht unrecht. Aber die korrekte Passung der WOMUnits muss sichergestellt sein, damit wir keine negative Polarität bekommen. Eine negativ polarisierter WOM-Entwickler mit hoher Reichweite könnte fatale Folgen haben!"
- Das wirkt alles etwas panisch. Es scheint so, als ob sich hier eine Industrie selbst erfindet und dringend glaubwürdig klingen muss. Und deshalb erdenkt sie den ganzen Kram. Denn die "Gefahr" besteht doch darin, dass vernünftig denkende Marketing-Leute einfach ein wenig über WOM-Marketing lernen, feststellen, dass man mit Mundpropaganda einiges bewegen kann und es dann einfach zu einem Teil aller Markenkommunikationsaktivitäten machen. WOM ist meiner Ansicht nach vor allem erstmal eine Frage der Einstellung - der Marketing-Verantwortlichen, aber auch des gesamten Unternehmens: Wie stellen wir uns so auf, dass wir die Gespräche zwischen unseren Kunden als wichtigen Teil der Gesamtkommunikation begreifen und durch alle unsere Aktivitäten einen möglichst posititiven Einfluss darauf haben? WOM ist letzten Endes eine Unternehmensgesamtaufgabe, die in allen Bereichen verankert sein muss.
- Natürlich bin ich für Messbarkeit. Aber wenn man einzelne Aktivitäten oder Ansätze messen will, dann sollte man das mit wissenschaftlich relevanten Tests tun: indem man beispielsweise vergleicht, welche Unterschiede sich ergeben, wenn man in einer Gruppe eine Maßnahme einsetzt, in einer anderen dagegen nicht. Idealerweise in Bezug auf Abverkäufe. Denn damit erfasst man wirklich den gesamten Umfang der erzeugten Effekte. Und kann so das Potential einer Maßnahme abschätzen und diese dann für eine komplette Kampagne einsetzen.
Ich lasse mich gern eines besseren belehren - vielleicht ist es ja wirklich sinnvoll, solche Messbarkeiten einzuführen. Aber bislang halte ich das noch für wenig nachvollziehbar.
Andy Sernovitz, WOMMA CEO, zieht natürlich etwas andere Schlussfolgerungen: "Mundpropaganda Marketing hat direkten Einfluss auf alle anderen Marketing-Aktivitäten. Wenn Du Mundpropaganda nicht messen kannst, dann kannst Du den Rest Deiner Marketing-Aktivitäten auch nicht wirklich messen."
Na dann. Viele WOMUnits mit positiver Polarität, erstklassiger Passung, Klarheit und Tiefe wünsche ich Euch!
(Wieviele WOMUnits hat dieser Blog-Post wohl? Und die sind ja wohl hauptsächlich negativ. Oder nicht? Und wie misst die WOMMA das? Über Technorati?)