In den USA scheint sich ein struktureller Einbruch des TV-Werbemarktes anzukündigen. Das Wall Street Journal hat gestern berichtet, dass in diesem Jahr die Vorauszahlungen der TV-Werbekunden für die kommende Saison gefallen sind, zum ersten Mal seit 2001.
Üblicherweise legen sich die Unternehmen bereits vor Beginn der neuen Saison zu einem großen Teil dazu fest, wieviel Geld sie für Fernsehwerbung ausgeben wollen. Der Rückgang liegt vornehmlich an NBC, die entschieden hatten, in diesem Jahr nur 75% ihrer Werbeplätze vorzuverkaufen - sonst sind es rd. 80%. Der Rückgang war jedoch noch stärker als aufgrund dieses Entschlusses angenommen und lag bei rund 30%, von $ 2,9 Mrd auf $ 2 Mrd. Andererseits muss man sehen, dass ABC dagegen einen starken Zuwachs erzielt hat (WSJ spricht hier von einem "better performing network"). Aber die Summe aller Vorausbuchungen ist ganz offensichtlich gesunken.
Die Tendenz begann sich während der Verhandlungen abzuzeichnen, als P&G die Networks vorgewarnt hat, man werde seine Vorauszahlungen zurückfahren - angenommen wurde ein Rückgang der P&G-Ausgaben (man beachte: das sind die Leute, die Tremor.com betreiben!) von rund 5% beim öffentlichen Fernsehen und um 25% beim Kabelfernsehen (dort gibt P&G am meisten Geld aus).
Auch 2001 hatte es einen Rückgang gegeben. Interessant ist, dass dieses Mal jedoch ein anderer Hintergrund gesehen wird. 2001 lag es an der allgemein schlechten Wirtschaftslage aufgrund des Börsencrashs. Jetzt liegt es offensichtlich daran, dass die Unternehmen zunehmend davon ausgehen, dass TV-Werbung in den USA an Wirksamkeit verliert.
Dave Evans, der mir dankenswerter Weise den Artikel geschickt hat, bemerkte dazu nur trocken: "As predicted. ;-) We'll see how this continues..." Bereits im vergangenen November hatte ich Dave in New York für ein Buchprojekt interviewt. Damals prophezeite er, dass die großen werbetreibenden Unternehmen in den USA irgendwann beweisen werden, dass es andere, effizientere Wege als TV-Werbung gibt, um die Kunden zu erreichen. Und dass dann diese sogenannten "Upfronts" fallen würden. Das werde in den USA einen Zeitenwechsel einläuten, denn das Werbemodell, mit dem die TV-Massensender operieren, verliere dann seine Gültigkeit.
Diese Sache sollten wir also weiter beobachten - denn vielleicht ist diese Meldung tatsächlich der Beginn einer neuen Zeitrechnung, zumindest was Werbung und Massenmedien betrifft.
Hierzu gibt es inzwischen (23.6.2005) noch einen Nachtrag.