Im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftige ich mich mit Studien zu verschiedenen Aspekten der Mundpropaganda. In loser Folge werde ich hier kurze Zusammenfassungen der Ergebnisse dieser Studien vorstellen (Sie sind dann in der Kategorie "7) Forschung - akademisch" zu finden). Heute geht es um das Papier "Quantifying the Ripple: Word of Mouth and Advertising Effectiveness" von Hogan, Lemon und Libai (2004). Sie zeigen in dem Artikel, dass der Wert eines Kunden für ein Unternehmen ungleich höher ist, wenn man den Effekt einrechnet, der durch Mundpropaganda entsteht - sie liefern also letztlich Argumente dafür, dass es für das Geschäftsergebnis entscheidend sein kann, sich mit WOM zu befassen.
Die Autoren stellen zunächst die These auf, dass viele "Customer Lifetime Value" Berechnungen, die die Wirkung von Werbung beschreiben sollen, nicht alle Auswirkungen einer Kampagne erfassen. Man versucht dabei, den Wert eines einzelnen neuen Kunden (und dann die Summe aller neu gewonnen Kunden) für das Unternehmen zu berechnen. Dabei versucht man auch zu ermitteln, welchen Anteil die Werbung an dieser Wertgewinnung hat. Diese Modelle erklären jedoch nicht, welcher zusätzliche Effekt durch Mundpropaganda entsteht, den diejenigen Leute erzeugen, die von der Werbung beeinflusst kaufen und anschließend andere per Mundpropaganda anregen.
Die Autoren schlagen daher eine Formel vor, nach der dieser zusätzliche Wert berechnet werden kann. Anschließend zeigen sie die Verwendung der Formel an einem praktischen Beispiel. Es geht dabei um den Hairstyling Markt in einer Stadt in den USA. Das Segment "Professional Hairstyling" wurde ausgewählt, weil Forschung nahegelegt hat, dass in diesem Bereich Mundpropaganda besonders wichtig ist.
Studenten an einer Universität wurden dazu befragt, wo sie sich ihr Haar schneiden/stylen lassen und wie sie auf die entsprechenden Salons gestoßen sind. 197 Fragebögen wurden ausgewertet, 122 davon betrafen die sechs meistbesuchten Salons. Auf diese sechs wurde die Analyse beschränkt.
Einer der Salons wurde von so vielen Kunden besucht wie die fünf anderen zusammen (61 Kunden). Daher wurden zwei Gruppen gebildet - in einer die Kunden des Salons mit den meisten Kunden, im zweiten die Kunden der fünf anderen Salons. Der erste Salon hat im Mittel weniger für Haarpflege berechnet, insgesamt legten die Umfragen die Vermutung nahe, dass der Salon mit den meisten Kunden eine etwas weniger anspruchsvolle Klientel bedient als die anderen Salons.
Berechnungen ergaben eine direkte Customer Lifetime Value für Kunden des ersten Salons in Höhe von $ 82,26. Zusätzliche WOM Lifetime Value entstand in Höhe von $ 80,15 pro Kunde. Damit hat jeder Kunde seinen Wert für das Unternehmen dadurch so gut wie verdoppelt, dass er/sie Empfehlungen für diesen Salon ausgesprochen hat.
Bei den fünf anderen Salons lag die Customer Lifetime Value mit $ 139,01 deutlich höher, aufgrund der höheren Preise. Der zusätzliche Wert durch WOM pro Kunde lag bei $ 298,21 – damit macht der WOM Anteil hier sogar 68,2% des Gesamtwertes aus! Die Autoren schließen daraus, dass die Werbeeffektivität dieser Geschäfte rund 57% höher sein sollte als bei dem ersten Salon, aufgrund des ermittelten Unterschiedes in der Wirkung von nachfolgender Mundpropaganda auf den Wert der enststehenden Kundenbeziehungen.
Die Autoren schließen daraus, dass der Effekt von WOM, die nach der Werbung entsteht, nicht vernachlässigt werden sollte. Aus meiner Sicht ist eigentlich weniger relevant, ob dieser Effekt ein "Triple-down effect" der Werbung ist oder nicht, entscheidender finde ich, dass grundsätzlich der Wert von Mundpropganda quantifiziert werden sollte. Und dass, wenn er quantifiziert wird, bemerkenswerte Ergebnisse ermittelt werden können - nämlich beispielsweise, dass der Wert eines Kunden für ein Unternehmen mehr als doppelt so hoch sein kann, wenn man die Mundpropaganda einrechnet!