Wenn man die Experten fragt, welche die Marketingregeln des 21. Jahrhunderts zu kennen behaupten, dann beschreiben sie oft eine Weisheit als unumstößlich: Unterschätze nie den Kunden! Die Konsumenten wissen mehr als die Unternehmen selbst! Marketing-Tricks funktionieren nicht (mehr), sondern richten sich letztlich gegen das Unternehmen, denn die Kunden sind schlauer!
Mir fällt ein interessantes Gegenbeispiel auf. In den USA lassen sich die Autokunden und Medien derzeit von Toyota auf vielleicht fragwürdige Weise begeistern, und zwar durch Hybrid-Fahrzeuge. Ich hatte die Gelegenheit, einen Automobil-Ingenieur zu sprechen, der in den 70er und 80er Jahren bei Volkswagen an der Hybridtechnik gearbeitet hat. Folgendes kam dabei heraus:
Vor rund 20 Jahren hat man sich damit befasst, weil man die Hybrid-Technik aus folgenden Gründen als viel versprechend empfand:
- Der Verbrennungsmotor ist gut geeignet für Beschleunigungsprozesse und für Höchstleistung bei geringer Masse. Der Elektromotor ist gut dafür, gleichmäßig kleinere Leitungen abzugeben. Beides wird im Auto gebraucht – was liegt also näher, als beides zu kombinieren?
- Man kann beim Bremsen elektrische Energie gewinnen und diese für den Vortrieb wieder nutzen, so spart man Energie – der Elektromotor arbeitet dabei als Generator.
Man hat sich daraufhin bei Volkswagen daran gemacht, diese Technik zu erforschen und zu testen. Der Ergebnisse waren wenig ermutigend, aus drei Gründen:
- Das Rückspeichern der Energie beim Bremsen ist unwirtschaftlich. Das Um- und Rückwandeln der Energie ist nicht effizient, denn bei den verschiedenen Prozessen (Bremsenergie in Elektrizität umwandeln, speichern, wieder abgeben, wieder in Bewegung umwandeln) geht sehr viel von der gewonnenen Energie verloren. Man muss jedoch schwere Bauteile rumschleppen, die zusätzliche Energie kosten. Die Zusatzbatterie für den Hybridbetrieb beispielsweise wiegt sehr viel. Das bisschen, was man also gewinnt, geht (fast) vollständig wieder verloren. Es ist dagegen viel wirkungsvoller, den Verbrennungsmotor konsequent abzustellen, wenn man ihn nicht zum Antrieb braucht. (VW hat das ja bei den beiden Drei-Liter-Autos – Lupo und Audi A2 – ähnlich eingerichtet, dass nämlich der Motor an der Ampel, bei Lehrlaufphasen und bei Bergabfahrt steht.)
- Dadurch, dass das Auto durch die zusätzliche Technik mehr wiegt, benötigt es insgesamt mehr Energie als mit herkömmlicher Technik.
- Die Rohstoffe und der Fertigungsaufwand sowie der Energiebedarf für die Produktion eines Hybridautos sind höher als bei einem gleichwertigen Auto herkömmlicher Bauweise. D.h. auch aus Produktionssicht ist ein Hybridfahrzeug für die Energiebilanz ungünstiger.
Der einzige Vorteil, den man bei einem Hybridauto finden kann, besteht darin, dass Strom die kostengünstigere Energiequelle ist. D.h. wer sein Hybridauto des Nachts in der Garage stehen hat, kann es durch Netzstrom aufladen. Der ist üblicherweise billiger als Benzin. So kann man also mit dem Hybridauto Geld sparen. Energie spart man nicht.
Volkswagen hat damals eine Reihe Patente für Hybridautos angemeldet und dann die Finger davon gelassen. Toyota nutzt heute diese Patente.
Und mein Eindruck die Konsumenten betreffend: Es klingt viel spannender, wenn ein Unternehmen eine modern klingende neue Technik einführt, die intuitiv und auf den ersten Blick dem Laien als sinnvoll erscheint. Das ist modern, innovativ, fortschrittlich, selbst wenn der tatsächliche Gewinn letztlich fragwürdig ist. Wenn ein Unternehmen dagegen vorschlägt, einen günstigen Dieselmotor zu nutzen und diesen an der Ampel einfach abzustellen, dann ist das schlicht uncool. Und deshalb möchte man wirklich vernünftige Auto eigentlich doch nicht haben.
Sind die Konsumenten doch dumm? Und lassen sie sich gern auf Marketing-Tricks ein?