In meinen Einträgen, die einen Überblick (Übersicht, PDF) über das Word of Mouth Marketing vermitteln sollen, hatte ich als letztes mit dem Bereich "ansteckende Werbung" begonnen. Die erste Methode, die ich dort genannt habe, um derart "ansteckende", also virale Werbung zu entwickeln, sind sogenannte Markengeschichten. Kreativen Markenleuten ist es über die Jahrzehnte immer wieder gelungen, derart Geschichten um ihre Marken zu spinnen, dass sie die Imagination und Begeisterung ihrer Zielgruppen anregen. Der Ansatz ist eng mit PR verwandt und zielt letzten Endes darauf ab, über die Medien Geschichten zu verbreiten, die genug Neuigkeits- oder Sensationswert haben, dass die Leute sie in der Konversation weitertragen wollen. Zwei Beispiele zur Illustration:
- Oprah Winfrey und der Pontiac G6 (Google results). Zu Beginn der 19. Saison der Oprah Winfrey Show - eine der meistgesehenen Shows im US-amerikanischen Fernsehen überhaupt - hielt die Moderatorin eine erstaunliche Überraschung für ihr Publikum bereit: Jedes Mitglied des Studiopublikums - 276 Leute - erhielt einen nagelneuen Pontiac G6 (von General Motors), als Geschenk! Um für Deutschland einen Vergleich zu ziehen: man stelle sich vor, Thomas Gottschalk würde bei "Wetten Dass..." dem gesamten Studiopublikum einen neuen Passat schenken, während die gesamte Nation dabei zuschaut. Die Idee beweist vielleicht nicht überbordende Kreativität, aber sie scheint - zu einem gewissen Grad - funktioniert zu haben. Einer Quelle zufolge hat sie im Anschluss an die Aktion einen Anstieg der Website-Besucherzahlen um 636% bewirkt. Die Kosten werden mit $ 7,7 Mio. beziffert, was etwa 50 Prime-Time Fernsehspots entspricht. Eine andere Quelle äußert sich skeptischer - insbesondere bei GM selbst scheint man uneins zu sein, ob die Aktion letztlich Verkäufe erzielen hilft. Aber dass die gesamte Nation darüber gesprochen hat, wird auch dort nicht angezweifelt. Allein 674 Fernsehberichte hätten die Aktion aufgegriffen, die stärkste je erfasste Medienresonanz auf eine Aktion eines der drei amerikanischen Autohersteller.
- Outkast und Polaroid. Als der New Yorker Arm der Agentur Euro RSCG den Auftrag erhielt, die Marke Polaroid einer dringenden Verjüngung zu unterziehen, kam die Unit Buzz @ Euro RSCG ins Spiel. Sie besteht hauptsächlich aus Schuyler Brown und Ryan Berger, letzten Herbst habe ich Schuyler in New York treffen können. Schuyler und Ryan sind u.a. spezialisiert darauf, Allianzen mit Showstars und Prominenten im Sinne der Marken ihrer Kunden zu schmieden. Schuyler war außerdem Ghostwriter des Buches "Buzz" der Agentur, und die beiden haben den Terminus "Metrosexual" mit aus der Taufe gehoben.
Für Polaroid kam ihnen ihre guten Connections zur Musikszene zu Hilfe. Das Duo Outkast war damals noch nicht sehr bekannt, Schuyler und Ryan entdeckten den Song "Hey Ya" mit der Zeile "Shake it like a Polaroid picture" (Andre 3000, die eine Hälfte des Duos war damals schon Polaroid-Fan) noch vor der Veröffentlichung und nahmen Kontakt zur Band auf. Indem sie der Band sechs Polaroid-Kameras für einen Auftritt bei der Show Saturday Night Live zur Verfügung stellten, begann die Zusammenarbeit. Als der Song in den folgenden Monaten in der Musikszene explodierte, hatten die "Buzz Leute" für Polaroid einen wichtigen Doppel-Erfolg erzielt: sie stellten einerseits eine Verbindung zwischen der Marke und einem glaubwürdigen Testimonial her. Andererseits halfen sie dabei mit, dem Song eine weitere Dimension zu verleihen - da das Schütteln eines Polaroid-Fotos zum integralen Bestandteil der Outkast Show wurde, entstand der "Polaroid-Dance", den Leute im ganzen Land in Clubs beim Tanzen aufführten. Über verschiedene VIP Parties, bei denen Polaroid Kameras wichtiger Teil des Events waren, ging es schließlich zum großen Finale beim NBA All Star Game - 1000 Kameras wurden in der Halle verteilt, und als die Spieler zu "Hey Ya" einliefen, konnten 8 Mio. Fernsehzuschauer dabei zusehen, wie Leute in der ganzen Halle "ihre Polaroid Pictures schüttelten". Laut Schuyler gelang es ihnen, mit allen Aktionen zusammen genommen etwa $ 4 Mio. Werbegegenwert in Presseerwähnungen zu erreichen. Online-Bestellungen auf der Polaroid-Website seien 90% angestiegen.
Die beiden genannten Beispiele kommen sicher nicht zufällig aus den US. Die Verbindung aus Prominenz, Medien und Markengeschichten produziert nirgendwo sonst so viel Aufmerksamkeit wie im Land der absoluten Megastars. Dennoch gibt es auch in Europa immer wieder Unternehmen, die es schaffen, mittels Markengeschichten die Faszination und Begeisterung der Zielgruppen und der Medien zu erregen - in einer Weise, dass Mundpropaganda dazu entsteht (Virgin oder Red Bull fallen mir spontan ein). Und daher hat diese PR-Disziplin meines Erachtens einen Platz im "Connected Marketing" verdient. Wichtig ist dabei jedoch - wie immer -, dass man sich vorher Klarheit verschafft, welchen Return on Investment man sich erhofft, um den Erfolg der Aktion messen zu können.
Beim nächsten Eintrag zu "ansteckender Werbung" wird es dann um "Live Buzz" gehen.