Nach meinen letzten beiden Einträgen, betreffend Transparenz und Motivation für Mundpropaganda, habe ich über diese Themen noch einmal intensiver nachgedacht und bin zu folgenden neuen Überlegungen gekommen:
Es gibt einen entscheidenden Faktor, der Einfluss darauf hat, wie Mundpropaganda angeregt wird, und ob diese Art des Marketings als ehrlich und als akzeptabel angesehen wird:
Kritischer Faktor: Wer beginnt die Mundpropaganda?
Unternehmen haben hier wieder grundsätzlich zwei verschiedene Wege gefunden:
- Das Unternehmen präsentiert ein Produkt, eine Marke, eine Werbeidee vor (ausgewählten) Leuten, und zwar in einer Art und Weise, dass diese dadurch zur Mundpropaganda angeregt werden sollen. Beispiele: [1] Mittels "Seed Marketing" wird ausgewählten Kundenkreisen (die als einflussreiche Kunden identifiziert wurden) noch vor der Markteinführung ein neues Produkt vorgestellt. Es steht ihnen frei, anderen davon zu berichten. [2] Im Sinne des "Viral Marketing" werden Werbefilme auf Entertainment-Seiten im Netz präsentiert, die auf diese Weise von Surfern entdeckt werden können. Es steht letzteren frei, diese Filme per Email an Freunde, Bekannte, Verwandte weiterzuleiten.
Das bedeutet, dass die Mundpropaganda erst durch den Konsumenten oder Kunden beginnt. - Das Unternehmen bzw. seine Mitarbeiter beginnen selbst die Mundpropaganda. Sie loggen sich also beispielsweise in Chatrooms ein und sprechen/schreiben begeisterte Berichte über das Produkt, etc. In diese Falle ist es also das Unternehmen selber, welches die Mundpropaganda beginnt.
Der Unterschied besteht also darin, wer die Entscheidung darüber fällt, ob es Mundpropaganda geben wird oder nicht. Es gibt eine Art "Mundpropaganda-Schwelle", die überschritten werden muss. Entweder das Unternehmen überlässt diese Entscheidung den Konsumenten, oder es versucht selbst, in die Gespräche (verdeckt) einzugreifen.
Die erste Art ist offensichtlich zweistufig - das Unternehmen muss [1] Mittel und Wege ausdenken, seine Neuigkeiten so zu vermitteln, dass sich [2] die Konsumenten angeregt fühlen, anderen davon zu erzählen. Diese Vorgehensweise verlangt nach Geschick, Kenntnissen der entsprechenden Verfahren (die ich in den kommenden Einträgen im Detail beschreiben werden) und nach Produkten bzw. Marken, die tatsächlich etwas Neues zu erzählen haben (Siehe auch vorletzter Eintrag). Sie stellt aber - so mein Eindruck - eher sicher, dass sich kein Konsument/Kunde übervorteilt fühlt, denn den Wortlaut der Mundpropaganda und die letztendliche Entscheidung darüber, ob oder ob nicht gesprochen wird, fällt ein unbeteiligter Kunde. So wird diese Art der Mundpropaganda vielleicht als "ehrlicher" wahrgenommen.
Die zweite Art ist dagegen wieder problematisch. Denn - wie bereits vorher angemerkt - Glaubwürdigkeit erreicht man nur, wenn Mundpropaganda nicht offensichtlich vom Unternehmen selber kommt. Wenn es aber das Unternehmen ist, welches diese gezielt zu erzeugen versucht, ist genau das erst einmal unmöglich. Daher wird das Unternehmen sich nicht als solches zu erkennen geben, sondern verdeckt arbeiten. Das führt zu genau der Art verdeckter Beeinflussung, die von Konsumenten bei Entdeckung als unangenehm empfunden wird.
Und damit komme ich noch einmal zu den BzzAgents. Diese arbeiten ganz genau auf der Grenze zwischen beiden Bereichen und sind deswegen so schwer zu fassen. Die Agents selbst sind keine Angestellten des Unternehmens. Ihnen werden Produkte gezeigt, über die sie reden können. Andererseits ist völlig klar, worum es sich bei BzzAgents handelt - um den gezielten Versuch, Mundpropaganda zu beeinflussen. Damit wissen die Agents auch, dass sie im Namen des Marketing unterwegs sind, und sie bekommen Anleitungen dazu, wie sie für die jeweiligen Produkte am besten Mundpropaganda betreiben sollen. Und das klingt ja dann doch ganz klar nach "vom Unternehmen gestarteter Mundpropaganda".
Ich bleibe dabei - ich habe mit den BzzAgents meine Probleme.
Mich würde interessieren, was Leser von dieser Unterscheidung halten - Mundpropaganda durch das Unternehmen nur angeregt, oder Mundpropaganda durch das Unternehmen erzeugt - ist das eine hilfreiche Unterteilung?