Wer Mundpropaganda anregen will, sollte sich mit einer einfachen Frage konfrontiert sehen: Was soll die Menschen zum Reden anregen? Warum sollen sie über meine Marke oder mein Produkt reden? Welchen Grund gebe ich Ihnen? (Dieser Post behandelt die erste Box ganz links auf meinem Chart: "Strategische Entscheidung zur Mundpropaganda-Motivation")
Die Branche hat auf diese Frage zwei grundsätzlich unterschiedliche Antworten:
- Die Motivation liegt in der Marke, dem Produkt oder dem Service selbst begründet. Mit anderen Worten: das Unternehmen selbst bietet Neuigkeiten, Nachrichten, Botschaften, die mit der Angebotspalette in irgendeinem Zusammenhang stehen, und die sich dafür eignen, weitergetragen zu werden. Einfache Beispiele dafür gibt es viele - wer einen iPod hat und völlig davon begeistert ist, hat einen vortrefflichen Grund, darüber zu sprechen. Wer von seiner Autowerkstatt mit bestem Service bedient wird, möchte das an Bekannte weitergeben, die mit ihrer Werkstatt weniger glücklich sind. Und wer per Email einen lustigen Werbefilm geschickt bekommt, der eine Marke unterhaltsam inszeniert, wird auch seine Bekannten damit erfreuen wollen. Die Beispiele zeigen: die Unternehmen bieten Gesprächsinhalte durch ihr direktes "Unternehmenshandeln".
- Dem gegenüber stehen Techniken, die externe Motivationsfaktoren schaffen. Ein sehr einfacher externer Motivationsfaktor ist Geld. Finanziell erkaufte Mundpropaganda ist daher nicht unüblich. Eine Spielart: Affiliate-Programme - also Partnerprogramme im Internet. Ich habe rechts auf meiner Seite Links zu Büchern bei Amazon stehen. Ich empfehle also Produkte weiter, die es bei Amazon zu kaufen gibt. Wenn jemand auf einen dieser Links klickt und das entsprechende Buch kauft, zahlt mir Amazon eine Provision, eine Art "Finder's Fee". Amazon hat mir also - neben dem Umstand, dass diese Links ein Service für meine Leser sind - einen weiteren Grund gegeben, ihr Angebot zu empfehlen - Geld.
Aber auch in anderen Bereichen gibt es diese Art der Mundpropaganda-Motivation. In den USA wurde kürzlich der Fall eines Talkshow-Hosts (gefunden bei Jackie Huba & Ben McConnell) bekannt, der vom Education Department (also dem Ministerium für Bildung) $ 240.000 erhalten hat, um auf seiner Sendung mehrfach eine Gesetzesinitiative der Bush Regierung zu unterstützen. Das Department scheint sich dabei auf das sogenannte Influencer Relationship Management Programm der PR Firma Ketchum gestützt zu haben.
Ein drittes Beispiel: Die Firma BzzAgents, ebenfalls in den USA. Das Unternehmen rekrutiert US-weit sogenannte BzzAgents. (In den USA sind es mittlerweile mehr als 60.000. Das Unternehmen expandiert inzwischen auch nach Europa.) Die Agents sind Mitglieder des sogenannten "Hive", der zentralen Plattform des Unternehmens im Netz. Sie verstehen sich alle als Agenten im Sinne des modernen Mundpropaganda-Marketing. Wenn ein Kunde der BzzAgents eine neue Kampagne lancieren will, werden die Agents mit dem entsprechenden Produkt beschickt, außerdem mit einer genauen Anleitung dazu, wie das Produkt am besten an Freunde, Verwandte und Bekannte zu empfehlen ist.
Nun ist es durchaus möglich, dass die Agents das entsprechende Produkt gut finden und es allein deshalb empfehlen wollen. Dann fallen sie zunächst einmal in die erste Gruppe. Es gibt aber neben der produktbezogenen Motivation bei BzzAgent auch noch eine übergeordnete Motivation: die Agents sehen sich oft als "Teil einer neuen Bewegung", der "Zukunft des Marketing". (Ich würde gern zum entsprechenden Artikel bei der New York Times verlinken, der muss aber inzwischen online gekauft werden...) Sie machen also sozusagen bei einer Art "Undercover Spiel" mit. Und damit gibt es noch einen weiteren Motivationsfaktor - neben dem Produkt selbst.
Der Ansatz, mittels externer Motivation Mundpropaganda anzuregen, ist aus meiner Sicht oft sehr gefährlich und daher nur selten zu empfehlen:
Beim Affiliate Marketing gibt es Ausnahmen - das Amazon-Programm ist sicherlich nützlich und sehr erfolgreich. Aber in den USA häufen sich die Fälle, in denen Affiliates ihre Empfehlungslinks aus den Affiliate-Programmen benutzt haben, um zu spammen oder sonstwelche Tricks anzuwenden, nur um die Klickraten auf diese Links und damit ihre Umsätze zu erhöhen.
In den Fällen, in denen - wie oben beschrieben - Medienpersönlichkeiten für Mundpropaganda bezahlt wurden, kam die Sache in vielen Fällen ans Licht.
Und an BzzAgents entzündet sich derzeit die Debatte, ob die Firma nicht ein Beispiel dafür ist, wie Marketing-Firmen sich zunehmend in unsere Privatsphäre einschleichen und damit Vermarktung und Werbung bis in die privatesten Gespräche hineintragen.
Also ist aus meiner Sicht zu empfehlen, tatsächlich etwas zu erzählen zu haben. Etwas, das Leute weitertragen, weil sie es spannend, neu, interessant, anrührend, aufregend, schön, ermutigend... finden. Und das führt zu einer schlechten Nachricht für alle einfallslosen Marketing-Leute: Differenzierung ist weiterhin nötig. Man muss sich in irgendeiner Weise von der Konkurrenz absetzen. Man muss Neuigkeiten bieten können, welcher Art auch immer. Denn an diesem Punkt unterscheidet sich Mundpropagana-Marketing in keinster Weise von jeder anderen Form der Marketing-Kommunikation - wer nichts zu erzählen hat, der ist langweilig und damit irrelevant.